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Übung Rettung in sieben Minuten

In einer Großübung probten Feuerwehren und Rettungsdienste des Landkreises Anhalt-Bitterfeld und dem Jerichower Land.

Von Thomas Höfs 24.07.2017, 10:00

Reuden l Nur wenige Meter zur Landesgrenze nach Brandenburg, in einem Waldstück, hat der Landesforstbetrieb Anhalt die Übung an diesem Sonnabend gut vorbereitet. Einige Minuten vor 10 Uhr setzt ein Waldarbeiter einen Notruf an die Leitstelle ab. Bei Baumfällarbeiten sind zwei Mitarbeiter verunglückt, ein dritter ist verschwunden, meldet er. Wenige Sekunden später heult die Feuerwehrsirene in Reuden auf.

„Sieben Minuten“, sagt Wilhelm Uschmann. Der Leiter des Landesforstbetriebes ist zufrieden. Für die überschaubare Mannschaft, die an den Unglücksort eilt, beginnen nun die Probleme. Zunächst müssen sie das betreffende Waldstück finden. Keine leichte Aufgabe. Mit dem Einsatzfahrzeug können sie sich zudem dem Einsatzort nur bedingt annähern. Die letzten gut 300 Meter müssen die Helfer zu Fuß absolvieren.

Als der Reudener Einsatzleiter vor Ort ist, erkennt er schnell die Dimension des sich anbahnenden Einsatzes. Ein Waldarbeiter liegt unter mehreren mächtigen Baumstämmen, die zweite verletzte Person ist in keinem besseren Zustand. Ein weiterer Mitarbeiter, so erfährt er, irrt unter Schock durch den Wald. Ein Maschine ist zudem heißgelaufen und hat einen Waldbrand ausgelöst.

Im Kopf sortiert der Reudener die Situation und überlegt, was er für die Abarbeitung der anspruchsvollen Aufgabe alles benötigt. Die Rettung der Waldarbeiter hat in jedem Fall Vorrang. Hierauf konzentriert er sich und fordert entsprechende Unterstützung mit Ausrüstung an, um die tonnenschweren Baumstämme zu heben.

Außerdem muss parallel dazu die Brandbekämpfung anlaufen. „Wir gehen von einem Brand von gut einem Hektar Fläche aus“, sagt Wilhelm Uschmann. Unter den richtigen Wetterbedingungen kann sich so ein Waldbrand innerhalb kürzester Zeit deutlich vergrößern, wissen die Forstleute. Zwar haben die übenden Feuerwehrleute an diesem Sonnabend mehr mit Regen als mit Wärme zu kämpfen. Trotzdem zeigen sich schnell die ersten Tücken.

So haben die Einsatzkräfte, die sich mit der Menschenrettung im Wald beschäftigen, zunächst deutliche Probleme, die Kommunikation mittels Funkgerät im Wald aufrecht zu erhalten. Immer wieder reißt der Kontakt zwischen den Einheiten ab.

Der angeforderte Rettungsdienst muss schon weit vor der eigentlichen Einsatzstelle kapitulieren, weil ihr Einsatzfahrzeug nicht geländegängig ist. Schon leicht sandige Waldwege stoppen hier Einsatzfahrzeuge. Auch Feuerwehrautos fahren sich hier fest.

Das Material müssen die Helfer zudem über mehrere Hundert Meter durch den Wald zur Einsatzstelle herantragen. Es dauert so etwas, bis das Material vor Ort ist.

Die eigentliche Rettung zieht sich derweil hin. Gut eineinhalb Stunden brauchen die Feuerwehrleute, um die beiden Waldarbeiter verletzt, aber lebend dem Rettungsdienst zu übergeben.

So lange, gesteht Wilhelm Uschmann ein, habe er sich die Rettung nicht vorgestellt. Wie auch die anderen Beobachter war er davon ausgegangen, dass die Rettung deutlich schneller voran schreitet. Auch Landrat Uwe Schulze (CDU), im Ehrenamt selbst Feuerwehrmann, zeigt sich beeindruckt. Dabei sei die Übung sehr anspruchsvoll angelegt, sagt er. So eine große Einsatzübung gebe es viel zu selten, meint er. Erst bei diesen realistischen Szenarien zeige sich, welche Probleme es in der Praxis gebe, sagte er. Die Übung sei daher wichtig für die weitere Einwicklung und Organisation von Feuerwehren und Rettungsdienst, ist er überzeugt.

Kreisbrandmeister Heiko Bergfeld ist derweil damit beschäftigt, den Überblick zu behalten. In einer kleinen Pause sagt er seinem Landrat: „Wir haben hier drei Probleme.“

So hatte er zusammen mit der Forst den Übungseinsatz geplant. Mit 110 Einsatzkräften der Feuerwehr hatte er kalkuliert. Eine alarmierte Feuerwehr erscheint überhaupt nicht an der Einsatzstelle. Andere Feuerwehren bringen einkalkulierte Einsatzfahrzeuge offenbar wegen Personalmangel nicht mit, schildert er. Unterm Strich fehlen ihm so gut 20 Einsatzkräfte. Das nächste große Problem ist die Funkverbindung. Immer wieder reißen die Verbindungen ab. Der Wald, das ist durchaus bekannt, schluckt die Funkwellen. Zudem sind einige Ecken im Landkreis noch nicht ausreichend mit einem stabilen Funknetz versorgt. Das soll sich bessern, sagt Uwe Schulze.

Das dritte Problem, mit dem der Kreisbrandmeister sich herumschlägt, ist die verfügbare Zahl gut ausgebildeter Führungskräfte. Um bei Großschadensereignissen nicht schnell den Überblick zu verlieren, bildet die Feuerwehr hier in der Regel Einsatzabschnitte. Untergliederte Einsatzleitungen beschäftigten sich dann einzeln mit der Brandbekämpfung des ihnen anvertrauten Abschnittes. Durch die Aufgliederung in Abschnitte werden die Einsatzkräfte effektiver und weniger geführt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass an der Einsatzstelle auch ausreichend Führungskräfte zur Verfügung stehen, schildert Heiko Bergfeld. An diesem Tag hat er allerdings nur gut 50 Prozent des benötigten Führungspersonals zur Verfügung. „Wir haben Glück, dass mit der Loburger Feuerwehr noch ein Zugführer gekommen ist“, sagt er. Mittelfristig brauche die Feuerwehr aber mehr Führungspersonal, sagte er.

In den Fokus rücken bei der Übung außerdem die grünen Schilder mit weißem Kreuz, die als Anfahrpunkte für den Rettungsdienst überall aufgestellt wurden. Während die Rettungsleitstelle anhand der Schildnummer jeden Standort genau bestimmen kann, fehlt diese Information den Feuerwehren. Im Wald haben die ersten eintreffenden Wehren ihren Nachfolgern mit einfachen Mitteln den Weg gewiesen. „Das war genial“, sagt Heiko Bergfeld.

Die Auswertung der Übung soll in die künftige Beschaffungsstrategie von Feuerwehr und Rettungsdienst einfließen, sagte Landrat Uwe Schulze. Einfluss werde die Übungsauswertung ebenso auf die künftige Ausbildung in den Feuerwehren haben, ist er außerdem überzeugt.