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Konzert Ausgefuchster Bart-Folk: Fleet Foxes in Berlin

Vor zehn Jahren begründeten die Fleet Foxes ein Genre quasi neu - den hymnischen Folkrock, gesungen von jungen Männern mit tollen Stimmen. Jetzt melden sie sich mit ihrem dritten Album zurück, dem so manche Anstrengung anzuhören ist. Live klingen sie weiterhin fantastisch.

Von Werner Herpell, dpa 26.06.2017, 10:07

Berlin (dpa) - Vier zu zwei: So lautet das Verhältnis von bärtigen und glattrasierten Fleet-Foxes-Gesichtern auf der Bühne des neuen Festsaals Kreuzberg (der jetzt gar nicht mehr im Berliner Szenestadtteil Kreuzberg liegt, sondern im benachbarten Treptow).

Auf der Bühne macht sich am Sonntagabend vor seit langem ausverkauftem Haus schnell der schönste "Bart-Folk" breit, der zur Zeit weltweit zu haben ist. Denn das wollen die vor zehn Jahren kometenhaft erschienenen US-Amerikaner sowohl mit ihrer neuen Platte als auch im Konzert sehr deutlich machen: dass sie neben all den Epigonen wie Mumford & Sons oder Lumineers, die den Neo-Folkrock weit nach oben in die Charts gebracht haben, immer noch die Originale sind. Und die Besten.

Das Mitte Juni erschienene "Crack-Up" - drittes Fleet-Foxes-Album nach dem fantastischen, selbstbetitelten Debüt (2008) und dem nur leicht abfallenden "Helplessness Blues" (2011) - war eine schwere Geburt, und es klingt manchmal auch so. Frontmann, Sänger und Songschreiber Robin Pecknold kriselte eine Zeit lang vor sich hin und begann ein Studium, Drummer Josh Tillman mutierte nach einer Trennung im Streit zum erfolgreichen Hipster-Balladensänger Father John Misty, vom Rest der Band war nur wenig zu hören. Eigentlich hatte man die Genre-Neubegründer schon abgeschrieben.

Die neuen Songs erfordern nun einige Mühe, sich hineinzufinden. Aber die Anstrengung lohnt sich. Hochkomplexe, teils orchestrale Arrangements und instrumentale Wucht ersetzen die naive Euphorie der Anfangszeit, auch die Luftig- und Leichtigkeit des Karrierestarts. Manche Tracks sind jetzt zu langen Suiten gegliedert und wirken zunächst fragmentarisch. Aber spätestens unter dem Kopfhörer findet alles wunderbar zusammen.

Im Berliner Konzert, einem Tournee-Aufgalopp im kleinen Rahmen vor den Spätherbst-Gigs in mittelgroßen Hallen, ist jedenfalls eine weiterhin hoch relevante Band zu bewundern. Die Fleet Foxes wirken zwar immer noch wie ein linkisch-sympathischer Jungmänner-Haufen. Aber sie wollen sich spürbar weiterentwickeln, über den Folkrock-Mainstream hinausweisen - auch wenn der Abschied von der Jugend bisweilen weh tut und viele Songs Mitsing-Refrains und Indiehit-Qualitäten vermissen lassen.

Zwar dauert es eine Weile, bis der Soundmixer - offenkundig erst auf Zuruf aus dem Publikum und von der Band - den Klang zumindest ein wenig zum Strahlen bringt. Die mickrige Ausleuchtung der Festsaal-Bühne lässt gar bis zum Pecknold-Solo-Closer "Montezuma" nach fast zwei Stunden viele Wünsche offen.

Die sechs Füchse jedoch steigern sich nach tastend-verhaltenem Auftakt in den Endorphinrausch und die Spielfreude einer jungen Band, die sie vor zehn Jahren einmal waren. Nicht nur die unzähligen Bartträger im Publikum haben schon bald leuchtende Augen.

Es ehrt die Fleet Foxes, dass sie in ihrem 2017er Set viele noch eher unbekannte, auch komplizierte "Crack-Up"-Lieder präsentieren. Grandiose Hymnen wie "White Winter Hymnal" oder "Blue Ridge Mountains" vom Debüt-Klassiker bekommen überraschenderweise kaum mehr Applaus. Zumal Pecknold sich in alten wie neuen Tracks als einer der besten Sänger seiner Generation erweist und die ausgefuchsten Harmony-Vocals von Skyler Skjelset (Gitarre), Christian Wargo (Bass), Casey Westcott (Keyboards) und Morgan Henderson (Blasinstrumente) durchgehend fabelhaft klingen.

All das spricht auch für die Reife und Offenheit von geduldigen Fans, die ihre Lieblingsband auf einem ambitionierten Weg begleiten wollen. Der Berliner Auftritt der Fleet Foxes deutet an, dass diese harmonietrunkene Erfolgsgeschichte noch lange nicht auserzählt ist. Weitere Gelegenheiten, die Bart-Folk-Truppe aus Seattle zu sehen, gibt es am 12. November im Hamburger Docks, am 13. November in der Berliner Columbiahalle und am 1. Dezember im Kölner Palladium.

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