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Meisterstück Hypnotische Hauchgesänge von Hope Sandoval

Diesmal stimmt einfach alles: Mazzy-Star-Elfe Hope Sandoval legt mit "Until The Hunter" das wohl beste Album ihrer Karriere vor. Und liefert im Duett mit Kurt Vile eines der schönsten Lieder des Jahres ab.

Von Werner Herpell, dpa 24.11.2016, 23:01

Berlin (dpa) - Runde 50 ist Hope Sandoval neulich geworden. Man sieht es der immer noch sehr mädchenhaft wirkenden US-Latina aus L.A. nicht an, und erst recht hört man es nicht.

Denn Sandoval hat sich diese faszinierende, sanft einlullende Kindfrau-Stimme erhalten, die man erstmals vor gut 25 Jahren auf "She Hangs Brightly", dem Debüt ihrer damaligen Dreampop/Slowcore-Band Mazzy Star, kennenlernte.

Seitdem hat die kalifornische Sängerin mit teilweise großen Abständen weitere Alben als Mazzy Star und seit 15 Jahren als Hope Sandoval & The Warm Inventions veröffentlicht. Außerdem war sie gelegentlich in spannenden Kollaborationen zu hören (Air, The Chemical Brothers, Massive Attack). Auch auf ihrer neuen Platte "Until The Hunter" (Tendril Tales/Rough Trade) steht nun ein Duett im Mittelpunkt - es dürfte einer der Songs des Jahres sein.

In "Let Me Get There" haucht und barmt Hope Sandoval gut sieben Minuten lang zusammen mit dem angesagten Folkrock-Slacker Kurt Vile. Wie sich diese beiden so unterschiedlichen Stimmen - ein schläfriger Sopran und ein lässiger Bariton - zu einem prächtigen Folk-Soul-Arrangement umgarnen und wieder voneinander abstoßen, ist einer der großen Gänsehaut-Momente dieses Musikherbstes.

Der Track war zunächst nur mit Sandovals Vocals und der wunderbar warmen Instrumentierung ihres langjährigen Band-Mitstreiters Colm Ó Cíosóig geplant. "Wir hörten uns das an und sagten dann: Es wäre toll, wenn wir jemanden fänden, der da mitsingen könnte", sagt Sandoval. Beide dachten schnell an Vile, der sich mit The War On Drugs und The Violators einen Ruf als "Rising Star" der US-Indierock-Szene erspielt hat. Dieser fühlte sich "total geehrt" durch das Angebot der beiden älteren Kollegen.

"Let Me Get There" bietet neben zwei formidablen Stimmen und einer traumhaft schönen Melodie auch noch einige unvergessliche Gitarrenlicks - kurz: das hypnotische Duett im Stil von Nancy Sinatra & Lee Hazlewood oder Nico mit Lou Reed überstrahlt alles andere auf "Until The Hunter". Der Rest - vom träge fließenden Opener "Into The Trees", in dem Sandoval fast nur "Miss You" seufzt, über die mediterrane Ballade "A Wonderful Seed" bis zum bluesigen "Liquid Lady" - ist aber zum Glück kaum schwächer.

Zarter Folk, feinste Flamenco-Sprengsel ("I Took A Slip"), hallgetränkter Shoegaze-Pop und psychedelischer Gitarren-Rock mit Pink-Floyd-Anklängen gehen in den knapp 60 Minuten dieses Albums Hand in Hand. Es wurde in Dublin aufgenommen und klingt so luftig und frisch wie das Werk einer sehr viel jüngeren Band.

Die elf neuen Songs seien "doch nur eine Fortsetzung dessen, was wir schon die ganze Zeit tun", sagt Multiinstrumentalist Ó Cíosóig über "Until The Hunter". Das ist einerseits richtig, weil die Musik von Hope Sandoval & The Warm Inventions nicht zu großen Ausschlägen und Veränderungen neigt. Aber, bei aller sehr ehrenwerten Bescheidenheit: Ein so rundes, reifes, perfektes Album ist dieser Band bisher noch nie gelungen. Ihr Meisterstück!

Hope Sandoval