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One More Light Linkin Park: Radio-Pop statt harter Gitarrenrock

Linkin Park ist eine der größten Rockbands der Welt. Trotzdem enttäuschen die Amerikaner ihre Fans immer wieder. Auch ihr neues Album hält Überraschungen bereit. Wohin geht es diesmal?

Von Michel Winde, dpa 22.05.2017, 05:00

Berlin (dpa) - Die Klagen der Fans waren laut und zahlreich. Zu soft, zu beliebig sei die neue Single, hieß es in den Sozialen Netzwerken. Für eine Band wie Linkin Park nichts Neues.

Oft schon haben die Amerikaner mit Stilen gespielt und Erwartungen enttäuscht. Wohin steuert die Band mit ihrem neuen Album "One More Light" (Warner)? 

Harte Gitarrenriffs, schnörkelloser Rock? All das sucht man auf dem siebten Studioalbum vergeblich. Mit dem Vorgänger "The Hunting Party" waren Linkin Park noch zu ihren Wurzeln zurückgekehrt; "Heavy", die erste Single, hingegen ist astreiner Radiopop. Chester Bennington singt schwermütig über seine Gedanken. Im hymnischen Refrain fragt er, warum alles so schwer sei. Dann übernimmt die 21-jährige Sängerin Kiara als weiblicher Konterpart. Schema F.

Die Reaktionen der Fans? "Was ein Witz, Linkin Park. Hoffentlich klingt so nicht das ganze Album", schreibt ein Facebook-Nutzer. Ein anderer notiert, er habe das Lied achtmal gehört - und es werde immer schlechter. Andere bedanken sich: "Fehlender Wandel ist langweilig."

Wer kann es schon allen recht machen? Mit mehr als 61 Millionen Likes ist Linkin Park laut Label die Band mit den meisten Facebook-Fans. Die Kalifornier füllen Stadien und spielen Headlinershows vor Zehntausenden. Ihr Debütalbum "Hybrid Theory" ist das meistverkaufte Debüt des Jahrhunderts. Und jetzt: "Heavy". So heißt der erste Singlevorbote, der im Februar für reichlich Unmut sorgte.

Die Band selbst sieht den Frust der Fans gelassen. Früher hätte er sich über jemanden aufgeregt, der seine Musik nicht mag. "Ich hätte es persönlich genommen", sagt Bennington im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Heute mache er sich keine Gedanken mehr. Sein Ziel sei nie gewesen, möglichst viele Platten zu verkaufen oder Stadien zu füllen. "Unsere Absicht ist, Musik zu machen, die wir lieben."

Auf "One More Light" klingt diese Musik ziemlich glattgebügelt. Die elektronischen Experimente vergangener Tage sind genauso Geschichte wie der Nu Metal aus den Anfangszeiten. Auch der charakteristische Rap von Mike Shinoda ist eine Seltenheit. Balladen ("One More Light") stehen neben eingängigem Poprock ("Talking To Myself") oder gefühliger Akustikgitarre ("Sharp Edges"). Maroon 5, Justin Bieber und andere Popsternchen lassen gar nicht mal so dezent grüßen.

Erstmals hat die Band die Aufnahmen nicht mit musikalischen Proben begonnen, sondern mit Gesprächen. "Worüber mache ich mir Gedanken? Was ist für mich gerade am wichtigsten?", seien Fragen dieser Gespräche gewesen, aus denen sich die Ideen für neue Lieder ergeben hätten: Depression und Tod, aber eben auch das manchmal banale Familienleben mit Kindern. Hast du die Zähne geputzt? Wo ist dein Rucksack? "Das ist ein typischer Tag, wenn du Kinder hast", sagt Bennington. Aber dies seien auch Themen, die vor 15 Jahren niemand in der Band verstanden hätte. "Es kommt darauf an, wo wir im Leben stehen."

Die Linkin-Park-Mitglieder sind älter geworden - und mit ihnen ihre Fans. Einige haben sich innerhalb der vergangenen 20 Jahre abgewendet. Allerdings kommen mit jedem Album auch neue Fans hinzu. "Und bei den Konzerten kommen alle zusammen", sagt Sänger und Produzent Shinoda.

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Website Linkin Park