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Schlau, schlauer, Field Music

Von Werner Herpell, dpa 09.02.2016, 05:00

Berlin (dpa) - Peter und David Brewis gelten als Spezialisten für Schlaumeier-Pop typisch britischer Bauart. Mit der neuen Platte ihres Projekts Field Music beweisen die Brüder, wie berechtigt dieser Ruf ist.

The Noisy Days Are Over heißt der fantastische, sechsminütige Opener von Commontime (Memphis Industries/Indigo), und er fasst das Programm des Albums kongenial zusammen: Die Musik darf durchaus POP in Großbuchstaben sein, ohne freilich die Intelligenz des Hörers auch nur eine Sekunde lang zu beleidigen.

Eine stoische Funk-Basslinie wie von den Talking Heads oder The Police der frühen 80er, extravagante und zugleich eingängige Gesangsharmonien wie bei den späten, Beatles-infizierten XTC, sowie ein Arrangement, das Roxy Music (Saxofon!) und Joe Jackson mit dem edlen Britpop Marke Pulp oder Blur zusammenbringt.

Viele Zitate aus der Pop-Historie also, die vor allem eines zeigen: Field Music sind nichts für Leute, die es sich beim Hören gern bequem machen. Und The Noisy Days Are Over dürfte schon jetzt zu den raffiniertesten Songs dieses Jahres gehören.

Der Opener ist bei weitem nicht der einzige der insgesamt 14 Commontime-Tracks, bei dem man meint, all das schonmal gehört zu haben, teilweise vor langer Zeit - ohne dass es abgekupfert klingt. Auch I'm Glad ist so ein vertracktes, dabei unverschämt zugängliches Lied, mit einem Sound, der zunächst an David Bowies Funk-Phasen erinnert und dann kurzzeitig in einen englischen Folksong kippelt.

Manchmal übertreiben es die Brewis-Brüder aus der Provinzstadt Sunderland ein wenig mit ihren unkonventionellen, fast jazzigen Songstrukturen, den smarten Rhythmus- und Harmoniewechseln. Man wünscht sich dann etwas mehr Ruhe, um die schönen Melodien (auch Prefab Sprout, Kate Bush oder Steely Dan standen Pate) länger auf sich wirken zu lassen. Aber insgesamt ist dies doch bei weitem kein ungenießbares Ideen-Patchwork zweier spinnerter Pop-Alchemisten, sondern ein Album voller Charme und Klugheit.

Und eines mit vielen echten Song-Highlights, auf halber Strecke von Commontime beispielsweise das fünfeinhalbminütige Trouble At The Lights. Oder It's A Good Thing mit einem wunderbar entspannten Soul-Groove, einem prächtigen Pop-Refrain und erhabenen Streichern als Sahnehäubchen. Oder die wunderschöne Cinemascope-Pianoballade The Morning Is Waiting. 

Früher funktionierte die Mischung der Brüder häufig nur ansatzweise, diesmal ist ihnen ein Opus magnum aus einem Guss geglückt. Ob sie dafür wieder - wie für den schwächeren Vorgänger Plumb (2012) - zum Mercury Prize nominiert werden, bleibt abzuwarten. Verdient hätten sie's wohl, denn so viele bessere britische Indiepop-Alben dürften dieses Jahr kaum noch kommen.

Website Field Music