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Singer-Songwriter Stephan Sulke sucht Seelenverwandte

Sein Erfolg reicht zwar nicht an Reinhard Mey oder Udo Jürgens heran. Doch für gar nicht so wenige Experten ist Stephan Sulke der beste deutschsprachige Liedermacher. Den Genrebegriff mag er allerdings gar nicht - und pflegt auch sonst seine Widerständigkeit.

Von Interview: Werner Herpell, dpa 20.06.2017, 07:57

Berlin (dpa) - Die drei bis vier Minuten eines Popsongs reichen Stephan Sulke, um eine Liebes- oder Lebensgeschichte auszumalen.

Vor allem Frauen wie die emanzipiert-kapriziöse Uschi, die abgetakelte Prostituierte Ulla oder die bezaubernde Lotte hat der Schweizer in seinen Liedern mit Witz, Wärme oder auch Wehmut zum Leben erweckt.

Die Deutsche Presse-Agentur sprach mit dem 73-Jährigen in Berlin über das neue Album "Liebe ist nichts für Anfänger", provokante Texte und seine künstlerische Bilanz.

Frage: Viele haben auch nach 35 Jahren noch "Uschi (Mach' kein' Quatsch)" im Ohr, wenn sie an Stephan Sulke denken. Nervt es Sie eigentlich, auf dieses Lied reduziert zu werden?

Antwort: Ach, es zeugt doch von einer unendlichen Hybris, sich nicht zu freuen, wenn einem ein Volkslied gelungen ist. Ab einem gewissen Alter kennt diesen Song einfach jeder. Und "Uschi" hat auch Leuten gefallen, die mit mir bis dahin gar nichts anfangen konnten, denn ich kam ja vom französischen Chanson.

Frage: Der deutsche Genrebegriff "Liedermacher" klingt ja etwas altbacken. Was halten Sie davon, dass man Sie trotzdem oft so nennt?

Antwort: Den Begriff Liedermacher habe ich immer gehasst - nicht des Wortes, sondern des Sinns wegen. Ich assoziiere damit den Birkenstocklatschen tragenden, unrasierten und oft ungewaschenen Links-Anarchisten, der unmelodiös auf seiner Gitarre rumhaut und gestelzte Verse in ein aus meiner Sicht komplett verblödetes Publikum spuckt. Das ist mein Urbild des Liedermachers. Heißt natürlich nicht, dass es so ist. Aber wenn Sie mich einen deutschsprachigen Chansonnier nennen wollen - gerne. Ich mag den Begriff Singer-Songwriter am liebsten.

Frage: Nach langen Karrierepausen haben Sie sich jetzt zu einem beachtlichen Spätwerk aufgerafft. Wie kam es, dass Sie in den letzten Jahren wieder aktiver wurden?

Antwort: Erstens ist es eine Art Heimweh - ich kann einfach nicht anders als Musik machen. Das Aufhören hatte damals mit Übersättigung zu tun - zu viel Erfolg, dann ging es nur noch um Geld. Irgendwann kam das Gefühl hinzu, auf dem absteigenden Ast zu sein. Mir wird deswegen vorgehalten, ich hätte karrieretechnisch einen furchtbaren Fehler gemacht, weil mir eine ganze Hörergeneration verloren gegangen sei. Aber ich bin eben nicht so der Typ mit dem Rechenschieber. Ich bin eher einer, der nach Seelenverwandten sucht. Davon gibt es weiterhin enorm viele, und es kommen auch neue hinzu.

Frage: Wie erreichen Sie diese typische Stephan-Sulke-Mischung in Ihren Liedern?

Antwort: Mein einziges Werkzeug ist guter Geschmack. Am Anfang steht immer ein Gefühl, das ich habe - Wehmut oder Zynismus. Zuerst also ein bestimmter Einfall, und dann schaltet sich mein Gehirn ein. Ich bin sehr sehr kritisch mit meinen Texten. Am Schluss bleiben oft nur noch drei Zeilen übrig von der ursprünglichen Idee.

Frage: Auf dem neuen Album bleibt man in diesen bewegten Zeiten fast zwangsläufig beim gesellschaftskritischen Lied "Eu-Ro-Pa" hängen...

Antwort: Ja, das ist ein Popsong, den man sich so nebenbei anhören kann, aber wenn man genauer auf die Wörter achtet, sagt man sich: Was sagt der denn da gerade? Das ist mein bewährtes Giftspritzen-Prinzip. Wenn man sich selbst in Kritik mit einschließt, dann ist Moralisieren auch erlaubt. Es gibt so viel wehleidiges Geschwätz über die Armut anderer Leute. Diese Heuchelei, diese Verlogenheit widern mich an. "Eu-Ro-Pa" ist einer der zynischsten Songs, die ich je geschrieben habe. Aber ich musste mir das mal vom Herzen schaffen.

Frage: Sind Sie nicht eigentlich ein konservativer Liedermacher?

Antwort: Ja, auf jeden Fall. Ich bin sehr stolz auf meine westliche Kultur. Bei aller berechtigten Kritik ist Europa doch das Beste, was die Menschheit bisher hinbekommen hat. Wir haben Demokratie, Menschenrechte, das Niederringen der Religion erfunden - so schlecht kann das alles nicht sein. Also ich stehe zu Europa. Die EU ist eine ganz andere Geschichte - dieses Problem ist eher ein bürokratisches.

Frage: Ein anderer neuer Song, "Blöde", erinnert in seiner Ironie an Randy Newmans "Small People". Haben Sie Angst, ähnlich anzuecken wie damals Newman?

Antwort: Das ist mir scheißegal. Wenn einer Anstoß nimmt, dann zeigt er nur, dass er das Thema des Songs ist.

Frage: Manche meinen, Sie hätten so erfolgreich werden können wie Udo Jürgens. Gibt es da etwas zu bereuen?

Antwort: Bereuen tue ich nie etwas - weil es nichts bringt. Für die ganz große Karriere bin ich einfach zu elitär. Ich war nie bereit, mich in die Tiefen der Vulgarität zu begeben oder mich anzubiedern. Deswegen habe ich selbst zu Zeiten großer Erfolge die großen Hallen gemieden. Und Udo Jürgens ist ein anderes Phänomen - im übrigen auch viel deutscher als ich.

ZUR PERSON: Der am 27. Dezember 1943 in Shanghai als Sohn von geflohenen Berliner Juden geborene Stephan Sulke begann seine Karriere vor gut 50 Jahren in Frankreich unter dem Pseudonym Steff. In den 70er und 80er Jahren war der Schweizer in Deutschland mit Liedern wie "Uschi", "Lotte", "Der Mann aus Russland", "Der Typ von nebenan" und "Die Andre" erfolgreich. "Ich hab’ dich bloß geliebt" wurde 1983 von Herbert Grönemeyer gecovert.

Nach längeren Pausen veröffentlicht Sulke seit gut 15 Jahren wieder regelmäßiger seine sehr eigenen Deutschpop-Songs. Er tritt auch als Maler und Bildhauer in Erscheinung und lebt in Südfrankreich.

Website Stephan Sulke

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