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Zuwanderungsdebatte Scharfe Töne innerhalb der Koalition

02.01.2014, 07:37

Berlin (dpa) | Viele Städte und Gemeinden unterstützen sogenannte Armutszuwanderer, obwohl sie nach EU-Recht in den ersten drei Monaten nicht dazu verpflichtet sind.

"Wir können eine Familie, die plötzlich in unsere Stadt kommt, nicht einfach auf der Straße stehen und verhungern lassen", sagte ein Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem bei der Bereitstellung von Wohnraum benötigten die Städte dringend Hilfe der Länder und des Bundes.

Zugleich wird in der Debatte über eine mögliche Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien von der SPD inzwischen ein deutlich schärferer Ton gegenüber dem Koalitionspartner CSU angeschlagen. "Die CSU hat Europa nicht verstanden. Und offenkundig will sie es auch nicht", sagte der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag). Er sprach von "dummen Parolen", mit denen die CSU weder den bayerischen Stammtisch beherrschen noch in Berlin professionell regieren könne.

CSU-Weg ist "äußerst gefährlich"

"Das ist nicht das Niveau, auf dem die große Koalition arbeiten darf", sagte Roth. Wenn es Probleme in einzelnen Kommunen gebe, stehe die SPD bereit, zu helfen. Die Klaviatur, auf der die CSU spiele, sei aber "äußerst gefährlich". Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ging ebenfalls auf Distanz zur CSU, wenn auch zurückhaltender. Er betonte in der Zeitung die Segnungen der Arbeitsmarkt-Öffnung in der EU: "Deutschland hat davon ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert."

Der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, wies die Kritik an seiner Partei zurück. Er habe keinerlei Verständnis, "wenn die CSU die Einhaltung des EU-Rechts fordert und dafür in die rechte Ecke gestellt wird", sagte Ferber der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag). Ähnlich äußerte sich Ferber im Bayerischen Rundfunk. "Es geht darum, Probleme zu lösen, die offenkundig bei der Armutszuwanderung vorhanden sind. Es kann nicht sein, dass man in eine Ecke gestellt wird, wenn man das anspricht."

Zur Sicherung des Lebensunterhaltes zahlen die Kommunen Beträge unterhalb des Hartz-IV-Niveaus, dass derzeit bei 391 Euro monatlich liegt. Zudem müssten die Kommunen häufig für Krankenkosten aufkommen. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, wies im "Tagesspiegel" (Donnerstag) auch auf die schwierige Wohnsituation hin. "Den Kommunen fehlen oft passende Unterkünfte, weil die Familien teilweise mit sechs oder mehr Kindern sehr groß sind." Teilweise würden diese Menschen ausgenutzt, indem ihnen einzelne Betten oder Räume in Schrottimmobilien überteuert vermietet würden.

Zuwanderung Gewinn für älter werdende Gesellschaft

Nach EU-Recht haben Zuwanderer in den ersten drei Monaten der Arbeitssuche keinen Anspruch auf Unterstützung des Aufnahmelandes. Zuwanderer, die keine Arbeit finden und deren Integration nach einer Einzelfallprüfung aussichtslos erscheint, können innerhalb der ersten fünf Aufenthaltsjahre wieder abgeschoben werden. Der Sprecher verwies aber darauf, dass hier ähnlich wie bei Asylverfahren eine tatsächliche Prüfung stattfinden müsse.

CDU-Parteivize Armin Laschet ging erneut auf Distanz zu den CSU-Forderungen. Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien werde "ein Gewinn für unsere älter werdende Gesellschaft sein", sagte der frühere NRW-Integrationsminister der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). Er stellt aber auch klar: "Nur wer einen Arbeitsplatz hat, kann nach Deutschland kommen."

Der Arbeits- und Migrationsforscher Herbert Brücker, geht davon aus, dass nach Fortfall der Zuwanderungshürden zum Jahresbeginn vor allem mehr hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien einwandern. Im WDR verwies er darauf, dass Bulgaren und Rumänen bislang nur unter bestimmten Bedingungen in Deutschland arbeiten konnten so etwa als Saisonarbeiter. Hierin sieht Brücker einen Grund dafür, dass vor allem gering qualifizierte Arbeiter kamen. "Wir haben eigentlich etwas sehr Unvernünftiges gemacht. Wir haben die Menschen ins Land gelassen, haben ihnen aber nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht."