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Scharfer Protest gegen Seehofers Stromnetz-Skepsis

06.02.2014, 07:09
CSU-Chef Horst Seehofer im Bayerischen Landtag in München. Foto: Peter Kneffel
CSU-Chef Horst Seehofer im Bayerischen Landtag in München. Foto: Peter Kneffel dpa

Berlin - Freunde hat sich Horst Seehofer mit seiner neuen Skepsis gegen den Stromnetzausbau nicht gemacht. Von den Grünen bis zu EU-Kommissar Günther Oettinger - es hagelt Kritik. Und die Bundesnetzagentur sagt: Für grundlegende Veränderungen beim Netzausbau gibt es keinen Anlass.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte Seehofer einen "feigen Populisten". "Gerne will die CSU für die Energiewende sein, aber wenn es um unangenehme Themen geht, wird populistisch dagegen geschossen", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitag).

Die für die Steuerung des deutschen Stromtrassenausbaus zuständige Bundesnetzagentur betonte, es gebe trotz der geplanten Ökostrom-Reform mit einer Drosselung des Windausbaus keinen Bedarf für eine "grundsätzliche Strukturänderung" der Stromnetzausbaupläne.

Die bayerische Staatsregierung um Ministerpräsident Seehofer argumentiert, durch die Reform ändere sich die Geschäftsgrundlage, es müsse geschaut werden, wie viel Bedarf es an Höchstspannungstrassen überhaupt noch gebe.

In dem jährlich festzulegenden Szenariorahmen würden die Pläne ohnehin laufend überprüft, sagte hingegen eine Sprecherin der Netzagentur. Bislang sei es aber nur zu Anpassungen in Randbereichen gekommen. So wurde eine Maßnahme zur Netzverstärkung in Baden-Württemberg nicht mehr als notwendig erachtet, sagte sie.

Im Netzentwicklungsplan hätten die Netzbetreiber 90 Maßnahmen aufgeführt, davon seien 56 von der Bundesnetzagentur als vordringlich eingestuft worden. Wichtigstes Kriterium sei die Auslastungsgrenze von mindestens 20 Prozent, sagte die Sprecherin. Vom Norden und Osten sind drei große Trassen in den Süden geplant, die längste soll der insgesamt 800 Kilometer lange "SuedLink" werden. In Bayern gibt es Proteste, nachdem mögliche Trassenverläufe bekannt geworden sind.

Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) kritisierte die CSU. In Bayern gingen bald mehrere Kernkraftwerke vom Netz. "Die Leitungen sind notwendig - und zwar sehr schnell", sagte er der "Welt". Oettinger rief Seehofer zum Einlenken auf. "Wenn er den Bau der Stromtrassen ermöglicht und mitwirkt, dass die Akzeptanz steigt, ist das sehr willkommen." Schleswig-Holsteins CDU-Fraktionschef Johannes Callsen sagte: "Wir reden nicht über eine Weißwurstproduktion, die man nach Lust und Laune drosseln und wieder hochfahren kann."

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, es wäre gut, wenn sich Seehofer an die von ihm mitgetragenen Beschlüsse im Bundesrat erinnern würde. Sie befürchte zwar keine Verzögerung beim Ausbau des Stromnetzes. "Aber ich sehe die Gefahr, dass durch dieses Verhalten alle Beteiligten verunsichert werden."

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer verteidigte das Moratorium und griff Hofreiter wegen des Populismus-Vorwurfes scharf an: "Hofreiters Vorwürfe sind pure Heuchelei. Ausgerechnet die Grünen, die in ihrer Regierungszeit die heutige Strompreisexplosion mit ausgelöst haben, treten als Besserwisser bei der Energiewende auf." Die Grünen wollten eine Energiewende gegen die Menschen und gegen Natur und Landschaft.

Der "SuedLink" soll von Schleswig-Holstein nach Bayern führen. Als zweites Großprojekt ist eine 450 Kilometer lange Trasse zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) und Meitingen (Bayern) geplant. Das dritte Großprojekt ist eine rund 500 Kilometer lange Trasse von Emden über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nach Philippsburg in Baden-Württemberg. Hierzu gibt es aber noch keine Trassenvorschläge.

Als Gesamtkosten werden mindestens zehn Milliarden Euro für insgesamt 36 Ausbau- und Netzverstärkungsprojekte veranschlagt. Insgesamt sollen 2800 Kilometer neu gebaut und 2900 Kilometer optimiert werden.