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Koalitionskrise wegen Edathy

17.02.2014, 11:55
Soll erst über die Medien über Ermittlungen in Zusammenhang mit Edathy erfahren haben:   Kanzlerin Angela Merkel. Foto: Rainer Jensen/Archiv
Soll erst über die Medien über Ermittlungen in Zusammenhang mit Edathy erfahren haben: Kanzlerin Angela Merkel. Foto: Rainer Jensen/Archiv dpa

Berlin/München - Die SPD lehnt in der Koalitionskrise um den Fall Sebastian Edathy personelle Konsequenzen und politische Zugeständnisse kategorisch ab.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer verlangten am Montag dringend Antworten auf offene Fragen im Zuge der Kinderpornografie-Ermittlungen gegen den früheren SPD-Abgeordneten. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, er verstehe Zorn und Enttäuschung in der Union. "Die Wahrheit ist allerdings auch, dass auch die Verantwortungsträger der SPD sich nach bestem Wissen und Gewissen verhalten haben."

Mit Spannung wird jetzt ein Spitzentreffen an diesem Dienstag in Berlin erwartet. Merkel, Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer wollen zu dritt nach Auswegen aus der Krise suchen. Den ursprünglich geplanten ersten Koalitionsausschuss in größerer Runde sagten die Bündnispartner ab.

Bundesagrarministers Hans-Peter Friedrich (CSU) war am Freitag über seinen Umgang mit dem Fall Edathy gestürzt. Er hatte Gabriel im Oktober - damals noch als Bundesinnenminister - darüber informiert, dass Edathys Name bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei. Das hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am vorigen Donnerstag öffentlich gemacht. Friedrich wird nun Geheimnisverrat vorgeworfen. Staatsanwälte prüfen, ob sie Ermittlungen gegen ihn einleiten.

Friedrichs Nachfolger im Agrarressort ist der bisherige Entwicklungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU), der noch am Montag seine Ernennungsurkunde entgegennahm. Neuer Staatssekretär im Entwicklungsministerium wird Unions-Fraktionsvize Thomas Silberhorn (CSU). Dessen Posten in der Fraktion soll Friedrich übernehmen.

Die Affäre hatte eine schwere Vertrauenskrise in der großen Koalition ausgelöst. Im Zentrum der Kritik steht Oppermann, der die Vorgänge öffentlich gemacht und zudem versucht hatte, vom Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, Informationen dazu zu bekommen.

CSU-Chef Seehofer verlangte bis Ende der Woche Aufklärung von Oppermann über dessen Rolle in der Affäre. Die CSU hat dem SPD-Fraktionschef bereits den Rücktritt nahegelegt. Ihr Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, Oppermann trage aus CSU-Sicht die politische Verantwortung.

FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki kündigte beim Sender n-tv eine Strafanzeige gegen Oppermann an. Ziercke selbst muss kein Ermittlungsverfahren befürchten. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden sieht keine Hinweise auf eine Verletzung von Dienstgeheimnissen.

Im Raum steht der Vorwurf, jemand könnte Edathy vor drohenden Ermittlungen gewarnt haben. Gabriel schloss dies für die SPD ausdrücklich aus. Er betonte insbesondere, Oppermann habe sich "absolut korrekt" verhalten. Möglicherweise seien aus Sicherheitskreisen Informationen nach außen gedrungen.

"Für die Koalition ist jetzt eine anstrengende Lage entstanden", räumte Gabriel ein. Rücktritte seitens der SPD oder ein inhaltliches Entgegenkommen an die Union schloss er aber aus: "Die Frage stellt sich nicht."

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) machte am Abend im Fraktionsvorstand nach Teilnehmerkreisen hingegen deutlich: "Der Ball liegt bei der SPD." Es gehe nicht um Rücktritte - sondern um Aufklärung. Später war ein gemeinsames Essen des Kabinetts bei Bundespräsident Joachim Gauck geplant.

Seehofer will die Vorgänge bei dem Dreier-Gespräch mit Merkel und Gabriel besprechen. Das schwarz-rote Bündnis an sich sieht der CSU-Chef nicht in Gefahr: Es gehe "nicht um das Zerbrechen der Koalition". Merkel ließ über ihren Sprecher ausrichten, sie habe "volles Vertrauen" in Gabriel. Auch der SPD-Chef steht in der Kritik, da er Friedrichs Hinweis trotz Bitte um Vertraulichkeit an Oppermann und Steinmeier weitergab.

Deutlich distanzierte sich die SPD-Spitze von Edathy. Präsidium und Vorstand seien "entsetzt und fassungslos" über dessen Verhalten, sagte Gabriel. Der Parteivorstand beschloss, Edathys Mitgliedsrechte zunächst ruhen zu lassen. Am Ende könnte dem Politiker auch der Parteiausschluss drohen.

Edathy soll über Jahre mehrfach Nacktfotos von Jungen bei einer kanadischen Firma bestellt haben. Unklar ist aber, ob dies strafbar ist. Edathy kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn. Beim niedersächsischen Justizministerium legte er Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Behörde ein.

Inzwischen kommen immer neue Details ans Licht. Bundestagssprecher Ernst Hebeker bestätigte am Montagabend, dass Edathy seinen dienstlichen Laptop beim Parlament als gestohlen gemeldet hat. Die Diebstahlsmeldung sei am 12. Februar per Fax bei der Bundestagsverwaltung eingegangen, sagte Hebeker.

Am 7. Februar hatte Edathy sein Mandat niedergelegt, am 10. Februar durchsuchte die Staatsanwaltschaft Hannover seine Privat- und Büroräume. Sie wurde nach eigenen Angaben vom Bundestag nicht über die Diebstahlsanzeige informiert. Für weitere Fragen sorgt, dass das Schreiben der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungen unverschlossen beim Bundestag eingegangen war.