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Kanzlerin steht zur Rente mit 63

07.04.2014, 06:21

Berlin - Die Renten-Rebellen in der Union werden von ganz oben gerüffelt. Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer wollen nicht, dass der Zwist um die Rente ab 63 zur Koalitionskrise eskaliert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält trotz des anhaltenden Widerstandes in der Union am schwarz-roten Kernprojekt Rente mit 63 fest. Die CDU-Vorsitzende will aber zugleich verhindern, dass mit der Regelung Missbrauch durch massenhafte Frühverrentung betrieben wird. Da sieht sie sich mit der SPD einig. CSU-Chef Horst Seehofer ermahnte die Union zu einer vernünftigen Debatte.

Auslöser für die Aufregung waren Äußerungen der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner über ein mögliches Scheitern des Vorhabens. "Die Rente mit 63 steht als unser gemeinsamer Kompromiss im Koalitionsvertrag. Aber es steht nicht drin, dass sie nach dem Modell Nahles ausgestaltet wird", sagte sie der "Saarbrücker Zeitung" (Montag) mit Blick auf Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Sollte der Koalitionspartner das nicht verstehen, "dann gibt es wohl keine Einigung und wohl keine Rente mit 63".

Merkel ließ am Montag klarstellen, dass sie zu dem im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf von Nahles steht. Es sei dabei allgemeine Überzeugung, "dass es mit der Ausgestaltung dieser Rentenregelung keine Anreize zu einer neuen Frühverrentungswelle geben soll", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Merkel rief vor der Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben vom Abend dazu auf, die Diskussion ruhig zu führen. Die Kanzlerin erinnerte vor den Abgeordneten daran, dass der Gesetzentwurf im Kabinett mit der klaren Maßgabe verabschiedet worden sei, im Parlamentsverfahren Regelungen zur Vermeidung von Frühverrentungen zu finden. Vor den abschließenden Beratungen solle eine Expertenanhörung am 5. Mai abgewartet werden. Merkel verwies auch darauf, dass die von der Union geforderte Verbesserung bei der Mütterrente damit verknüpft sei.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) machte laut Teilnehmern deutlich, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien. Von daher seien Wortmeldungen über eine Zustimmung oder Nichtzustimmung nicht angezeigt und auch gegenüber den Unions-Verhandlern nicht fair. Die Kritik in der Union entzündet sich vor allem daran, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit unbefristet angerechnet werden sollen und dies Betroffenen einen Ausstieg aus dem Berufsleben schon mit 61 Jahren ermöglichen würde.

Seehofer wies die Äußerungen Klöckners scharf zurück. "Davon halte ich gar nichts. Wir sind Koalitionspartner und sollten vernünftig miteinander reden, und nicht bei jedem Punkt dann mit der Keule des Scheiterns in der Öffentlichkeit winken", sagte er in München.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel war um Mäßigung bemüht: Er wolle der CDU deshalb auch nicht die etwa dreimal so hohen Kosten für die Mütterrente vorhalten. "Ich persönliche halte nichts davon, dass wir hier gegenseitig irgendwelche Drohpotenziale aufbauen." Nahles habe zum Thema Frühverrentung einen guten und praktikablen Vorschlag gemacht, der den Sorgen der Union entgegenkomme.

Seehofer hält es für normal, wenn es im parlamentarischen Verfahren Diskussionen über punktuelle Veränderungen gebe. Ihm sei wichtig zu verhindern, "dass durch Frühverrentung nach dem 61. Lebensjahr sozusagen vor allem die großen Konzerne ihre Personalplanungen über die Sozialversicherung lösen".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, wies die Möglichkeit eines Scheiterns der Renten-Gesetzgebung zurück. "Was wir vereinbaren, gilt für uns auch. Wir sind vertragstreu", sagte er der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag). Nach Angaben des Vorsitzenden des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), wollen mehr als 64 Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU die Rentenpläne der Koalition ändern. "Es gibt sicherlich noch mehr in unserer Fraktion, die die Rente mit 63 sehr kritisch sehen", sagte er im RBB-Inforadio.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Anrechnung der Arbeitslosenzeiten kostet etwa 700 Millionen Euro pro Jahr. Dies ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen. Zuerst hatte die "Rheinische Post" (Montag) darüber berichtet. Der Rentenexperte der Grünen-Fraktion, Markus Kurth, kritisierte, die Debatte über die Anrechnung von Arbeitslosenzeiten lenke von den eigentlichen Herausforderungen einer längeren Lebensarbeitszeit ab. "In vielen Berufen ist schon lange vor dem 63. Lebensjahr Schluss. All diese Personen werden von der neuen Rentenart ausgeschlossen."