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Verfassungskonvent für EU Rainer Robra: "Genug gewurstelt in Europa"

Unter den über 60 Veranstaltungen der Europawoche bot ein Forum in der Magdeburger Staatskanzlei den glanzvollsten Rahmen. Weniger prächtig ist es um die EU-Zukunft bestellt, wie die prominent besetzte Debatte darum ergab.

Von Steffen Honig 08.05.2014, 03:13

Magdeburg | Rainer Robra lässt nicht locker: Sachsen-Anhalts Europaminister fordert einen neuen Verfassungskonvent für die Europäische Union. "Die Praxis des Durchwurstelns stößt an ihre Grenzen", erklärte der CDU-Politiker am Dienstagabend im gut gefüllten Saal des Magdeburger Palais am Fürstenwall.

"Lissabon-Vertrag nicht mehr tragfähig" - Europaminister Rainer Robra

Damit bekräftigt Europaminister Robra die Forderungen aus seiner vielbeachteten Europa-Erklärung vom März dieses Jahres: "Der Vertrag von Lissabon ist nicht mehr tragfähig." Er müsse "nicht durch einen großen Sprung, wohl aber durch ein geordnetes Verfahren" geändert werden.

Thomas Fischer hat die Durchwurstelei als eine von fünf möglichen Varianten für die EU-Entwicklung in den kommenden Jahren auf dem Zettel. Der Leiter des Brüsseler Büros der Bertelsmann-Stiftung berichtet über ein Zukunftspapier, das Expertengruppen im Vorjahr erarbeitet haben. Das sind die fünf Optionen: Eine auf den Binnenmarkt reduzierte EU, eine Gemeinschaft des erwähnten Durchwurstelns, eine Union mit vertiefter Zusammenarbeit, ein komplett zentralisiertes Europa und schließlich eine EU, in der die Bürgerrechte im Mittelpunkt stehen.

"Eine Millionen Euro sind zu wenig für eine Abhänigigkeit von der EU" - Jens Strackeljan, Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Dies ist die unabhängige Draufsicht, die der neuen EU-Kommission als Entscheidungshilfe dienen soll, betont Fischer. Seine eigene Pro-Europa-Haltung bekundet er, indem er sich etwa für eine europäische Arbeitslosenversicherung ausspricht. Von Visionen ist es ein schneller Übergang zum ganz praktischen europäischen Geschehen.

So kann Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch von der Magdeburger Guericke-Universität als Moderator nicht umhin, seinen Rektor Jens Strackeljan nach möglichen Abhängigkeiten durch europäische Zuwendungen zu fragen.

"Jedes Land hat sein eigenes Geschäftsmodell" - Clemens Gutmann, Präsident der Arbeitgeberverbände

Strackeljan erklärt, dass die Autonomie der Uni durch Europa nicht gefährdet sei: "Wir finanzieren uns mit 85 Millionen Euro vom Land, 55 Millionen Euro Drittmitteln und einer Million Euro von der EU - viel zu wenig für eine Abhängigkeit.

Die Wirtschaft ist vertreten durch Clemens Gutmann, Präsident der Arbeitgeberverbände des Landes. Die deutsche Wirtschaft habe den europäischen Markt genutzt, sagt er, "die Industrie in Griechenland oder Spanien hinwegzufegen". Für ihn hat die europäische Verwaltung eine weitere Distanz zu Bürgern und Unternehmen geschaffen. "Diese zu überwinden, hält die Gesellschaft zusammen." Die ökonomischen Prozesse hingegen seien nicht durch die EU regelbar: "Jedes Land hat sein eigenes Geschäftsmodell", erklärt Gutmann.

Aus seinem Metier weiß Minister Robra von den Schwierigkeiten zu berichten, an europäisches Fördergeld zu gelangen. Die Kriterien seien "extrem herausfordernd". Robra: "Es ist wie bei einer Speisekarte mit 15 oder 20 Gerichten. Hier muss eine bestimmte Anzahl genommen werden. Eines oder gar alle geht nicht." Es sei also schwierig, das Geld, was Deutschland abgeliefert habe, wiederzukriegen.

"Finanzmärkte warten nicht auf Kompromisse" - Thomas Fischer, Bertelsmann-Stiftung

Aus dem Saal wird die Wurstelei nochmals thematisiert. "Traurig" findet ein studentischer Fragesteller, dass die Wirtschaft die Politik in Europa vor sich hertreibe.

Bertelsmann-Vertreter Thomas Fischer widerspricht gar nicht erst. "Wir müssen die Logik des Durchwurstelns durchbrechen", antwortet er und ergänzt, "die Finanzmärkte warten nicht auf Kompromisse".