Schottlands Unabhängigkeit Geld oder Freiheit - das ist die Frage!
Gut fünf Wochen vor dem Referendum rückt ein unabhängiges Schottland in weite Ferne. Frei nach Shakespeare entscheidet sich die Frage des Seins oder Nichtseins eines eigenen Staates am Geld: London würde den Schotten das Pfund nehmen, das diese unbedingt behalten wollen.
Edinburgh | Er hat´s wohl vermasselt beim großen Fernsehduell in der Vorwoche: Schottlands Premierminister Alex Salmond, Vorkämpfer für die Unabhängigkeit des britischen Teilstaates, kam gegen Londons Vertreter Alistar Darling nicht an. Dabei gilt Salmond als guter Rhetoriker, der Labour-Politiker Darling eher als dröge.
Die Zentralregierung in London musste sich bisher den Vorwurf gefallen lassen, die schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit allerhand Drohungen und Tricks hintertreiben zu versuchen. Bei der Frage der künftigen Währung haben die Londoner Taktiker jedoch offensichtlich den wunden Punkt getroffen.
Wenn ihr schon ein eigenes Land wollt, schärfen sie den Schotten ein, dann müsst ihr auch unsere Währung, das Pfund Sterling, aufgeben. Schottland, wo der Euro so unpopulär ist wie im Rest Großbritanniens, müsste also eigenes Geld drucken. Das wäre ein gewaltiges Risiko: Die Basis des schottischen Geldes wäre allein die eigene Wirtschaft.
Zwar hatten die Unabhängigkeitsverfechter stets selbstbewusst auf die Einnahmen aus dem Nordsee-Öl eines neuen, selbständigen Schottlands verwiesen, aber der Mehrheit der Bevölkerung scheint dies als Sicherheit nicht auszureichen. Die Währungsunion mit Großbritannien ließe sich nach Meinung von Ökonomen aber nur bei einer engen politischen Verbindung erfolgreich fortsetzen.
Aus diesem Dilemma scheinen Salmond und seine schottischen Nationalisten nun nicht mehr hinauszukommen: Laut einer Umfrage, die das Blatt "Scottish Mail" nach dem Fernsehduell veröffentlichte, würden 57 Prozent der wahlberechtigten Schotten für die weitere Einheit mit England, Nordirland und Wales stimmen, 43 Prozent dagegen. In der Projektion wurden die 13 Prozent Unentschlossenen berücksichtigt.
Bei der Europäischen Union in Brüssel muss man also nicht unbedingt damit rechnen, dass demnächst ein Beitrittsgesuch des souveränen Staates Schottland auf den Tisch flattert. Damit würde Europa auch eine Menge Ärger erspart bleiben.
Dabei drücken Separatisten in anderen Ländern auf dem Kontinent fest die Daumen für den Erfolg des Referendums auf der Insel. Um die eigenen Ziele endlich durchdrücken zu können, denn die Abspaltungsbestrebungen sind zahlreich.
In Spanien will die reichste Provinz Katalonien im November dieses Jahres selbst eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit anberaumen. Die Zentralverwaltung in Madrid will das unbedingt verhindern: Ein solches Referendum wurde von der Regierung als nicht bindend eingestuft und vom Verfassungsgericht für unrechtmäßig erklärt.
Im wohlhabenden Norden Italiens arbeitet die Lega Nord darauf hin, endlich die Landsleute im armen Süden loszuwerden. Der eigene Nordstaat ist allerdings bis auf Weiteres eine Illusion.
Viel gefährdeter in seiner Existenz ist Belgien. Auch hier bestimmt das Wohlstandsgefälle den nationalistischen Streit. Die niederländisch sprechenden Flamen im reicheren Norden wollen sich vom frankophonen wallonischen Landessüden trennen. Bisher hält das Land jedoch zusammen. Der belgische Auftritt bei der Fußball-WM stärkte sogar das Gemeinschaftsgefühl. Das könnte es bei Schotten und Engländern nie geben: An deren eigenen Fußballteams rüttelt niemand.