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Parteitag in Hamburg Die Grünen suchen ihre Identität

Die Grünen wollen im Bund wieder an die Regierung. Wie das gelingen soll, darüber gibt es Streit.

22.11.2014, 01:13

Hamburg (dpa) l Ein dreitägiger Bundesparteitag der Grünen hat am Freitagabend in Hamburg begonnen. Auf dem Kongress werden Kontroversen vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie beim Streitthema Flüchtlinge erwartet. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte unmittelbar vor Beginn: "Das wird ein munterer Parteitag."

Zunächst stand das Thema Freiheit und Selbstbestimmung im Vordergrund. Dabei geht es um die Frage, wie liberal und tolerant die Partei künftig sein will und wo sie Grenzen in der Wirtschafts-, Umwelt- und Gesellschaftspolitik setzen will. Nach den Worten von Parteichef Cem Özdemir wollen sich die Grünen als linksliberale Kraft der Freiheit in Deutschland etablieren.

"Es geht nicht um Moral, es geht um Politik"

Zum Auftakt des Bundesparteitags erteilte Özdemir jeder Bevormundung der Bürger eine Absage. Freiheit bedeute nicht, dass Politik den Menschen vorschreibt, mit welchen Verkehrsmitteln sie reisen oder wie sie sich ernähren sollen, sagte er am Freitagabend vor knapp 500 Delegierten. "Es geht nicht um Moral, es geht um Politik." Es gehe nicht darum, Individuen zu verändern, sondern Strukturen. Die Grünen dürften den Freiheitsbegriff nicht den anderen überlassen, "nur weil die ihn marktradikal pervertiert haben."

Er forderte auch eine "wertegeleitete Außenpolitik". Humanitäre Hilfe allein reiche in internationalen Krisen nicht aus. "Wir müssen ISIS stoppen und zurückdrängen", sagte Özdemir zum Konflikt mit Islamisten im Irak und in Syrien. Er räumte unterschiedliche Positionen in der Partei zur Außen- und Sicherheitspolitik ein und forderte eine "respektvolle Debatte" der rund 500 Delegierten.

Mit Blick auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine forderte Özdemir die Linkspartei auf, sich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin zu distanzieren. "Ein Linker hat an der Seite von Putin und Schwulenfeinden nichts zu suchen.

"Klima und Kohle geht auf Dauer nicht zusammen"

Özedmir warf der Großen Koalition in Berlin auch ein Versagen in der Klimapolitik vor. Ökologie und Ökonomie könnten versöhnt werden. Energiewende bedeute auch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle. Der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel müsse zügig die dreckigsten Kohlekraftwerke vom Netz nehmen. "Klima und Kohle geht auf Dauer nicht zusammen."

Der Grünen-Vorsitzende kritisierte auch die Haushaltspolitik von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Dieser verschulde sich bei der Kranken- und der Rentenversicherung und vernachlässige die Infrastruktur, um seine "schwarze Null" durchzusetzen.

Auf der Tagesordnung der knapp 500 Delegierten steht an diesem Samstag zunächst die Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik. Am Nachmittag werden intensive Diskussionen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik erwartet. Zu dem Thema wird auch der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprechen, der für seine Unterstützung der schwarz-roten Bundesregierung beim Asylrecht innerparteilich scharf kritisiert worden war.

Am Sonntag diskutieren die Delegierten dann über Außen- und Sicherheitsfragen. Zur Debatte stehen kontroverse Anträge etwa zum militärischen Engagement Deutschlands in internationalen Krisen mit oder ohne UN-Mandat. Der Konflikt in der Ukraine dürfte ebenfalls eine Rolle spielen.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter räumte vor dem Hamburger Parteitag Fehler ein. "Die Abstimmung auf Führungsebene war sicher nicht immer optimal", sagte sie "Spiegel Online". Ihre Konsequenz: "In Zukunft werde ich lieber einmal mehr zum Telefonhörer greifen." In den vergangenen Monaten hatten sich Peter und ihr Co-Vorsitzender Özdemir mehrfach öffentlich widersprochen.