1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Deutschland
  6. >
  7. Weihnachten vor hundert Jahren

Heilige Nacht an der Heimatfront Weihnachten vor hundert Jahren

Von Jörn Wegner 19.12.2014, 17:15

Magdeburg | "Gedanken fliegen bei Nacht über Land. Aus Städten und Dörfern ziehen sie fragend in ungewisse Fernen, sehnsüchtig schweifen sie von draußen zurück. Von jedem Haus spinnen sie ihre Fäden durch endlose Dunkelheiten; aus jedem Schützengraben huschen sie mit Geistesschnelle heim durchs helle Fenster, in die warme Stube zu Weibe und Kind. Doch auch bange klagende Rufe hallen durch die heilige Nacht, Rufe ins Leere, in kalte ewige Schweigen. Stuben gibt es, in denen kein Licht brennt, keine Hoffnung wacht. Durch ganze geht ein stilles Weinen." Mit diesen Worten machte die Volksstimme am ersten Weihnachtstag 1914 auf. Ein Blick in die Todesmeldungen verrät, dass auch an Weihnachten täglich Familien ihre Väter, Großväter, Brüder und Ehemänner verloren.

Weihnachtssammlung in Halberstadt

Die Volksstimme vom 24. Dezember berichtet in ihren Lokalnachrichten von einer Weihnachtssammlung in Halberstadt. SPD und Gewerkschaften hatten diese am 20. Dezember gemeinsam organisiert. "Geladen waren die Arbeitslosen, die bei den Notstandsarbeiten Beschäftigten und die Witwen der gefallenen Krieger aus unseren Reihen", heißt es in der Lokalmeldung. "Ein schöner Tannenbaum im Lichterschmuck streute Weihnachtsstimmung in die kindlichen Gemüter, während auf den Gesichtern der Erwachsenen mehr der Ernst unsrer Tage sich ausdrückte."

Nicht nur Weihnachtslieder wurden gesungen, sondern auch den Gefallenen gedacht. Verschenkt wurden Bargeld, Bons und Stollen. Für jedes Kind gab es einen Teller mit Nüssen und Pfefferkuchen. Doch nicht alle Spenden wurden sofort ausgegeben: "Bei unsern reichlich bemessenen Gaben ist ein Betrag verblieben. Er soll verwendet werden, um den Gewerkschafts- und Parteigenossen im Felde eine Liebesgabe zu senden", heißt es in dem damaligen SPD-Organ.

"Nützliche Kleidungsstücke" für Kinder

Von einer bescheidenen Weihnachtsfeier wird auch aus Förderstedt bei Staßfurt berichtet. Der dortige Frauenverein hatte "auf Wunsch der Mütter" "nützliche Kleidungsstücke" für die Kinder von Kriegsteilnehmern gesammelt. Zuvor gab es am selben Ort eine Rede des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Adolf Albrecht aus Halle zum Thema Folgen des Krieges. 200 Zuhörer hatten sich zu dem wenig weihnachtlichen Thema versammelt.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag wird im damals noch eigenständigen Heuhaldensleben zugunsten der "hiesigen Kriegerfrauen" eine Wohltätigkeitssammlung organisiert. Als Veranstalter fungiert das Gewerkschaftskartell, das darauf hofft, dass "besonders die Arbeiterschaft geschlossen daran teilnehmen wird".

Nach den Feiertagen wird es ernst

In Halberstadt hat indes für viele Männer Weihnachten ein jähes Ende. Nach den Feiertagen müssen sich alle, die bisher keine militärische Verwendung fanden, beim Bezirkskommando des Militärs melden.

Aus Aschersleben wird vermeldet, dass Petroleum einen so hohen Preis erreicht hat, dass die Politik einschreiten musste und einen Höchstpreis von 25 Pfennig pro Liter festlegte. Wer Petroleum hortet oder zu höheren Preisen verkauft, muss mit einer Strafe von bis zu 3000 Mark rechnen – damals eine gewaltige Summe. Gerade in der Winterzeit war Petroleum für die Beleuchtung der Wohnungen unerlässlich, die elektrische Glühbirne hatte sich vor allem in den Häusern der einfachen noch nicht durchgesetzt.

Welche Auswirkungen der Krieg auf die Gemeinden hat, zeigt eine Meldung aus Aken. Dort begann an Heiligabend eine Sammlung für Frontsoldaten aus der Kleinstadt. 800 Akener wurden an die Front eingezogen – bei gerade 7000 Einwohnern, die die Kleinstadt zu Beginn des Weltkrieges insgesamt zählte.

Noch drei Kriegsweihnachten stehen den Menschen im Regierungsbezirk Magdeburg Ende des Jahres 1914 bevor. In jedem Jahr verschlechterte sich die Versorgungslage und schwand der Durchhaltewillen. Erst im November 1918 konnten die Menschen durchatmen und einen Monat später ihr erstes Weihnachten in Frieden feiern.

Alte Ausgaben der Volksstimme hat die Friedrich-Ebert-Stiftung digitalisiert und kostenlos zugänglich gemacht.