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Dokumentationspflichten beim Mindestlohn Bürokratie oder faire Kontrolle?

Auf Druck der Wirtschaft fordert die Union Nachbesserungen beim
Mindestlohn-Gesetz. Die Dokumentionspflicht von Arbeitszeiten soll
abgeschwächt werden. Zollkontrollen könnten so jedoch ins Leere laufen,
warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).

28.01.2015, 01:10

Magdeburg l Die Einführung des Mindestlohns ist noch keine vier Wochen her, da streiten Parteien, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften auch schon über Änderungen am Gesetz. Im Kern geht es dabei um die Dokumentationspflichten der Arbeitgeber. Seit dem 1. Januar sind sie nicht nur dazu verpflichtet, einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro zu zahlen. Sie müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer geringfügig Beschäftigten dokumentieren und zwei Jahre lang aufbewahren.

Der Zoll soll so in die Lage versetzt werden, anhand von Verdienst- und Arbeitszeitbelegen zu prüfen, ob ein Unternehmen seinen Beschäftigten auch tatsächlich den Mindestlohn vergütet, denn schwarze Schafe könnten auf die Idee kommen, ihre Beschäftigten einfach länger arbeiten zu lassen. In Branchen wie dem Baugewerbe, die besonders von Schwarzarbeit betroffen sind, gilt die Dokumentationspflicht nicht nur für Geringverdiener, sondern auch für alle übrigen Mitarbeiter. Nur für Beschäftigte mit einem monatlichen Bruttoverdienst von 2958 Euro gelten die Pflichten nicht. Die CDU im Bundestag will die Schwelle für die Nachweispflichten nun von 2958 Euro auf 1900 Euro herabsetzen und bis Ostern überprüfen, welche Pflichten für Unternehmen "zumutbar" sind.

Bei der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt stößt der Vorstoß auf Zustimmung. "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Christof Altmann, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau. Die Schwelle bei 1900 Euro sei aber immer noch zu hoch, da Unternehmen weiterhin auch die Arbeitszeiten von Mitarbeitern dokumentieren müssten, die mehr als 8,50 Euro die Stunde verdienen. "Ohne Veränderungen am Mindestlohn-Gesetz wird es nicht gehen", sagt auch Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. "Wir brauchen eine Befreiung ab einem verstetigten Bruttomonatsentgelt von 2200 Euro." Alles andere sei Bürokratie, für Unternehmen eine Zumutung.

"Von Bürokratie kann keine Rede sein", sagt dagegen Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), auf Volksstimme-Anfrage. "Die Arbeitgeber mussten ja auch schon vor Einführung des Mindestlohns die Arbeitszeiten der Mitarbeiter erfassen, um angemessene Löhne auszuzahlen." Körzell warnt: "Wenn die Unternehmen die Arbeitszeiten nicht erfassen müssen, kann der Zoll auch nicht kontrollieren, ob die Arbeitnehmer tatsächlich den Mindestlohn erhalten. Das lässt sich nur anhand ihrer Arbeitszeiten und Verdienste nachprüfen." Eine Einschränkung der Dokumentationspflichten sei daher ein Spiel mit dem Feuer. "Ich rate Frau Merkel, die Diskussion zu beenden", sagt Körzell. "Der Mindestlohn wird sonst für jene, die eigentlich von ihm profitieren sollten, nichts weiter als ein leeres Versprechen."

DGB kritisiert Personalmangel beim Zoll

Andreas Steppuhn, Arbeitsmarktexperte der SPD in Sachsen-Anhalt, lehnt ebenfalls Änderungen ab, auch weil Arbeitnehmer im Streitfall schlechte Chancen vor Gericht hätten: "Um seine Ansprüche vor dem Arbeitsgericht überhaupt anmelden zu können, bedarf es der Nachweispflicht und somit der Dokumentation", betont Steppuhn.

DGB-Vorstand Körzell ist nicht nur über die Pläne der Union verärgert. Er fürchtet, dass der Zoll schon jetzt nicht in der Lage ist, die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren. "Die Bundesregierung muss einen großen Schluck aus der Pulle nehmen und den Zoll sofort personell aufrüsten. Es ist fatal, dass 500 von 6900 Stellen beim Zoll derzeit nicht besetzt sind und erst in den kommenden drei Jahren bundesweit 1600 zusätzliche Kräfte eingestellt werden sollen."

In Sachsen-Anhalt arbeiten derzeit 150 Beamte bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls. 90 Stellen sollen hinzukommen. Meinung