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Entlassung von Enercon-Betriebsrat unzulässig Böttgers Glücksmoment

Enercon ist mit der Kündigung eines Betriebsrates juristisch vorerst
gescheitert. Das Arbeitsgericht in Magdeburg wies am Mittwoch alle
Anträge einer Tochterfirma des Windanlagenherstellers zurück. Der Streit
zwischen der Gewerkschaft IG Metall um mehr Mitbestimmung bei Enercon
ist dadurch nicht beigelegt.

12.02.2015, 01:30

Magdeburg l Nils Holger Böttger war nach der Entscheidung die Erleichterung anzusehen. Noch bevor Richter Uwe Kretschmer am Mittwochmittag im Magdeburger Arbeitsgericht seine Ausführungen beendet hatte, atmete er durch. Monatelang hatte den Betriebsratsvorsitzenden das Verfahren um seine Kündigung durch die Magdeburger Enercon-Tochter WEA Service Ost belastet. "Ich bin sehr zufrieden. Jede Anschuldigung des Arbeitgebers ist im Sande verlaufen", sagte Böttger.

Auslöser des Arbeitsstreites war eine E-Mail, die Böttger im Mai vergangenen Jahres an die Belegschaft schickte. Darin hatte er unbezahlte Weiterbildungen für Leiharbeiter am Wochenende kritisiert. Die Enercon-Tochter kündigte Böttger daraufhin, der Betriebsrat verweigerte aber seine Zustimmung zur Entlassung Böttgers. Das Unternehmen beantragte deshalb vom Gericht die notwendige Genehmigung.

Das Gericht lehnte diesen Antrag ab und entschied nun: Böttgers Gedanken, die er in der Mail als satirisches Märchen festhielt, fallen unter das Recht der Meinungsfreiheit. Vorwürfe der WEA Servcice Ost, wonach Böttger Kompetenzen überschritten und dem Unternehmen geschadet habe, wies das Gericht zurück. "Ich hoffe, das ist ein gutes Zeichen für andere Kollegen. Jetzt haben wir es endlich schriftlich, dass die deutschen Gesetze auch in der Windkraftbranche gelten. Auch die Rechte der Leih-Kollegen bei Enercon sind heute gestärkt worden", sagte Böttger.

Er selbst rechne damit, dass das Verfahren noch nicht vorbei ist. Die WEA Service Ost hat die Möglichkeit, den Fall vor dem Landesarbeitsgericht neu aufrollen zu lassen. Von Enercon war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Die Gewerkschaft IG Metall erhofft sich von dem Richterspruch eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Enercon und Gewerkschaft. "Enercon muss jetzt endlich auch mit kritischen Betriebsräten und der IG Metall in den Dialog treten", sagte die Gewerkschaftssekretärin Petra Jentzsch. Die Gewerkschaft versucht seit Jahren Betriebsräte bei dem Windanlagenbauer zu etablieren. Enercon schätze aber eine "interne Kultur", sagte Enercon-Chef Hans-Dieter Kettwig vor einigen Wochen am Rande eines Termins in Magdeburg.

Fall löste Debatte im Landtag aus
Die Entscheidung des Gerichts fand auch in der Politik ein lebhaftes Echo. "Das ist ein wichtiges Urteil für die Mitbestimmung und Demokratie in den Unternehmen unseres Landes", erklärten SPD-Chefin Katrin Budde und der Abgeordnete Andreas Steppuhn in einer Mitteilung. Der Fraktionschef der Linken, Wulf Gallert, twitterte: "Ein Sieg für alle engagierten Betriebsräte, für einen mutigen Menschen und für die Solidarität unter den Mitarbeitern bei Enercon."

Der Fall hatte im vergangenen Jahr auch den Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigt. Dabei hatten SPD und Opposition das Unternehmen scharf angegriffen, ein Vertreter der CDU sprach daraufhin von "Klassenkampfrhetorik". In Magdeburg gilt Enercon wegen zahlreicher neuer Arbeitsplätze und seinen Produkten für die Energiewende als Vorzeigefirma. Die Gewerkschaft kritisierte immer wieder den Einsatz von Leiharbeitern. Meinung