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Uta Seewald-Heeg Verliebt in die deutsche Sprache

21.02.2015, 01:16

Zum Tag der Muttersprache ist in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin die Straße der deutschen Sprache vorgestellt worden. Caroline Vongries sprach mit Prof. Dr. Uta Seewald-Heeg, Erste Vorsitzende der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft (NFG) Köthen, unter deren Dach das Projekt läuft.

Volksstimme: An der Straße der Romanik stehen Kirchen, die 800 Jahre oder älter sind. Wie kann man sich eine Straße der deutschen Sprache vorstellen?
Uta Seewald-Heeg: Wir zeigen, wo Sprachgeschichte geschrieben wurde und machen Sprache erlebbar. Hier im mitteldeutschen Raum, im heutigen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, ist das Hochdeutsche entstanden, haben sich Menschen um die deutsche Sprache verdient gemacht. Martin Luther war nicht nur Reformator, er war Wortschöpfer, Spracherneuerer, der als Übersetzer und Prediger in Eisleben und Wittenberg tätig war. Goethe und Schiller waren nicht nur in Weimar, ihr Wirken kann man auch in Bad Lauchstädt verfolgen, Goethes Spuren in Allstedt und Gotha entdecken. Kennen Sie das schöne Lessingmuseum in Kamenz? Seit 2011 haben sich auf unsere Initiative 16 Städte zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Auch aus anderen Bundesländern wird ernsthaftes Interesse signalisiert. Anders als die Straße der Romanik sind wir ein Projekt von unten, aus Eigeninitiative entstanden und aus eigenen Mitteln finanziert.

Worum ging es bei der Präsentation in Berlin?
Heute ist der Welttag der deutschen Muttersprache, der 1999 von der UNESCO eingeführt wurde. An diesem Tag geht es um den Wert der eigenen Sprache. Wir haben dies zum dritten Mal zum Anlass genommen, gemeinsam mit der Landesvertretung in Berlin Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man die deutsche Sprache erleben kann.

Und was kann ich auf der Straße der deutschen Sprache erleben?
Orte an der Straße der deutschen Sprache machen auf sprachgeschichtlich bedeutsame Ereignisse oder Persönlichkeiten aufmerksam. Mit Veranstaltungen wie Schreibwettbewerben, Lesungen, dem Köthener Sprachtag, dem Festspiel der deutschen Sprache in Bad Lauchstädt, oder mit unserer Ausstellung "Erlebniswelt Deutsche Sprache" bieten wir Möglichkeiten, an dieser Geschichte selbst Anteil zu nehmen. Perspektivisch planen wir Gesamterlebnispakete Buchstabensuppe inklusive, möglicherweise auch eine Präsentation auf der ITB.

Es geht also um Tourismus ...
.. wir verbinden Kulturtourismus und Sprachpflege.

Was verstehen Sie unter Sprachpflege? Gegen das ewige "Denglisch" ins Feld zu ziehen?
Angesichts der Schnelllebigkeit und Hochgeschwindigkeit unserer globalisierten Welt ist es unvermeidbar, dass zahlreiche Einflüsse auf unsere Sprache wirken. Problematisch wird es, wenn Anglizismen, wie sie in der Werbung vielfach benutzt werden ...

Volksstimme ... weil man "cool" sein will ...
... vom Zielpublikum letztendlich nicht verstanden werden, wie aus Untersuchungen eindeutig hervorgeht. Fremdsprachen sind ein notwendiges Medium zur Völkerverständigung. Voraussetzung ist jedoch, sich in der eigenen Sprache zu Hause zu fühlen.

Sie sind Sprachwissenschaftlerin und Informatikerin. Kommen Sie da ohne fremdsprachliche Begriffe aus?
Ich versuche nicht zwanghaft, Fremdwörter zu vermeiden. Die Wissenschaftssprache war selbst vielfältigen Einflüssen ausgesetzt: Griechisch, Latein. Doch wenn es eine deutsche Benennung gibt, benutze ich diese, und ich erwarte von Wissenschaftlern grundsätzlich, sich so auszudrücken, dass sie auch verstanden werden. Schließlich wird Wissenschaft vom Steuerzahler finanziert. Doch unsere Zielsetzung besteht nicht darin, Sprache zu beschränken. Wir wollen nicht diejenigen sein, die ständig mit dem erhobenen Zeigefinger herumlaufen.

Worum geht es Ihnen dann?
Wir wollen die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie schön die deutsche Sprache ist, wie verliebt man in sie sein kann. Es ist beeindruckend zu sehen, mit welchem Erfindungsreichtum bereits im 17. Jahrhundert Spracharbeit betrieben wurde. Nehmen Sie zum Beispiel die Wortbildungsmaschine, die der Dichter und Sprachforscher Georg Philipp Harsdörffer entwickelt hat: den "Fünffachen Denckring der teutschen Sprache". Unsere Ausstellung in Köthen zeigt, dass man Sprache nicht nur begegnet, wenn man ein Buch zur Hand nimmt.

Haben Sie eine Lieblingsstation auf der Straße der deutschen Sprache?
Jede Station bietet Entdeckungen. Jeder hat einen Duden zu Hause, doch wer kennt die Geschichte des Lehrers Konrad Duden aus Schleiz? Zu meiner Lieblingsstation habe ich es dennoch nicht weit. Das ist und bleibt Köthen. Mich fasziniert das Engagement der damaligen Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft im 17. Jahrhundert, insbesondere während des Dreißigjährigen Krieges. Der Leitspruch lautete damals bereits: Alles zu Nutzen. Ich bin überzeugt, es gibt noch viel Nutzen aus der deutschen Sprache in all ihren Facetten zu ziehen.