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Gerinnungshemmung Dünnes Blut schützt vor Schlaganfall

Von Uwe Seidenfaden 30.03.2015, 03:33

Magdeburg l Beim Schneiden nicht aufgepasst und schon rutscht das Messer in den Finger. Es beginnt zu bluten. In der Regel verschließt sich die Wunde nach kurzer Zeit selbst. Zuständig dafür sind verschiedene Stoffe im Blut, die sogenannten Gerinnungsfaktoren.

Störungen der Blutgerinnung können schlimme Folgen haben. Gefürchtet ist insbesondere ein Blutgerinnsel - der Thrombus -, das aus dem Herzen in das Gehirn wandert und dort ein Blutgefäß verschließt. Die Folge ist ein Schlaganfall, der mitunter dauerhafte Behinderungen nach sich zieht. Besonders gefährdet sind Patienten, die eine künstliche Herzklappe haben oder unter einer im Alter häufigen Form von Herzrhythmusstörungen - dem Vorhofflimmern - leiden.

Notfallpass ständig bei sich tragen
Um das Risiko eines Gefäßverschlusses zu verringern, müssen diese Menschen dauerhaft Medikamente einnehmen, die das Blut verdünnen. Seit fast einem halben Jahrhundert geschieht das mit Wirkstoffen, die mehrere Gerinnungsfaktoren gleichzeitig "blockieren". "Der hierzulande meist verordnete Gerinnungshemmer ist das Falithrom", so Prof. Dr. Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie. Es ist ein sehr wirksames Mittel. Damit soll die Gerinnungszeit im Vergleich zum Blut eines gesunden Menschen etwa verdoppelt werden.

Bestimmt wird das mit dem INR-Wert (früher Quickwert). "Für Patienten mit Vorhofflimmern, aber auch mit künstlichen Herzklappen, sollte er bei etwa zwei bis drei, bei Patienten mit bestimmten Herzklappen auch höher liegen", so Professor Braun-Dullaeus. Alle zwei bis vier Wochen muss der INR-Wert per Blutprobe kontrolliert werden.

"Bei einigen Patienten fällt die optimale Einstellung schwer, denn es gibt viele Wechselwirkungen mit zahlreichen Medikamenten und Nahrungsmitteln, beispielsweise Brokkoli, Rosenkohl und Zwiebeln. Sie können die Wirksamkeit der Gerinnungshemmung verstärken oder verringern", so Prof. Dr. Berend Isermann, Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie.

Bluthochdruck, Nierenschwäche und andere im Alter häufige Grunderkrankungen sowie Untergewicht können die optimale Einstellung der Blutgerinnung unter Falithrom oder ähnlichen Substanzen erschweren. Ist die "Blutverdünnung" zu stark, besteht die Gefahr von Magen- oder Hirnblutungen. Bei zu schwacher Gerinnungshemmung erhöht sich das Risiko eines Schlaganfalls oder einer Lungenembolie. Hinzu kommt, dass mehrere Tage vor einer Operation und oft selbst vor einer Zahnbehandlung die medikamentöse Gerinnungshemmung umgestellt werden muss. Patienten benötigen für den Fall eines Unfalls einen Notfallpass, der auf die Einnahme von Falithrom hinweist.

Alternativen auch nicht ohne Risiko
In den vergangenen Jahren führte die Suche nach alternativen Medikamenten zu Erfolgen. "Das sind Medikamente, die selektiv die Blutgerinnungsfaktoren Thrombin und Xa hemmen", so Professor Isermann. Patienten schätzen diese Medikamente (z. B. Pradaxa®, Eliquis® und Xarelto®), weil sie sich weniger Gedanken über Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten machen müssen. Außerdem sind nicht mehr alle zwei bis vier Wochen Kontrollen des INR-Wertes notwendig. Aus klinischen Studien gibt es Hinweise auf ein vermindertes Hirnblutungsrisiko unter den neuen Gerinnungshemmern, so Prof. Braun-Dullaeus. Außerdem von Vorteil ist, dass sie in kürzerer Zeit (etwa 24 Stunden) vor einem chirurgischen Eingriff umgestellt werden können.

Trotz dieser Vorteile raten die Mediziner zu einem sorgsamen Umgang mit den neuen Gerinnungshemmern. Nicht für jeden sind sie geeignet: Gegenanzeigen sind beispielsweise schlechte Nieren- und Leberwerte. Zudem gibt es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die beispielsweise zur Behandlung von Depressionen, bakteriellen Infektionen und Pilzerkrankungen eingesetzt werden. "Vorsicht ist auch bei scheinbar harmlosen pflanzlichen Mitteln wie Johanniskraut angebracht", so Professor Isermann. Diese können die Wirksamkeit der Gerinnungshemmung herabsetzen, ohne dass der Patient es bemerkt. Zudem sind die Gerinnungshemmer nicht für Träger mechanischer Herzklappen zugelassen.

Es ist auch zu bedenken, dass es im Fall von Vorhofflimmern und Problemen mit Falithrom eine weitere Alternative gibt: einen minimal-invasiven Herzkatheter-Eingriff am linken Herzvorhof. Mediziner empfehlen die neuen Gerinnungshemmer in erster Linie Patienten, bei denen die Behandlung mit Falithrom Probleme bereitet. Wenngleich nicht vorgeschrieben, sollten auch sie einen Notfallpass stets bei sich tragen, der Auskunft über die eingenommenen Medikamente gibt.