Magdeburger stellt elektrisches Speedbike vor Kettenlos auf dem Rad

Kettenantrieb war gestern, das Fahrrad der Zukunft fährt elektrisch - zumindest wenn es nach Designer Martin Wiesner geht. Mit einem Forscherteam hat er ein Speedbike entwickelt, das er auf der Hannover Messe vorstellt. 2016 könnte das Rad in Serie gebaut werden.

11.04.2015, 01:17

Wernigerode l Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Speedbike von einem handelsüblichen Fahrrad gar nicht so sehr. Es besitzt eine schlanke, sportliche Form. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf: Das Rad hat zwar Pedale, aber die Kette, die das Hinterrad antreibt, fehlt. Dem Forscherteam um Martin Wiesner ist es gelungen, ein Zweirad zu bauen, das komplett elektrisch angetrieben wird.

Die Energie für den Motor im Hinterrad kommt dabei sowohl aus einem Akku, der oberhalb der Pedale verbaut wurde, als auch aus einem Generator, den der Fahrradfahrer mit kräftigem Treten in die Pedale antreibt. Auf gerader Strecke sind so Geschwindigkeiten von 45 Kilometer pro Stunde drin. Nach etwa 80 Kilometern, wenn die Energie des Akkus nachlässt, muss der Fahrer jedoch nicht fürchten, liegenzubleiben. Der Strom aus dem pedalbetriebenen Generator reicht aus, um mit gewöhnlicher Fahrrad-Geschwindigkeit weiterzufahren.

Fahrradbauer erwägt Kleinproduktion

Die Erfindung ist eine Gemeinschaftsleistung, ein Beispiel dafür, wie es in Sachsen-Anhalt gelingen kann, lukrative Innovationen zu schaffen. Die Mitteldeutschen Fahrradwerke Mifa in Sangerhausen hatten schon länger vor, den Markt für Elektrofahrräder zu erschließen. Doch das Geld für Forschung reichte nicht aus. Das Unternehmen suchte Kooperationspartner und fand sie im Magdeburger IKAM-Institut und im Institut für Automatisierung und Informatik (IAI) der Hochschule Harz. Technik-Experten allein genügten jedoch nicht, Martin Wiesner erhielt den Auftrag, ein Rad zu designen, das einerseits Platz für die technischen Neuerungen bietet, andererseits aber optisch ansprechend aussieht.

Nach eineinhalbjähriger Entwicklungsarbeit ist der Designer nun gespannt, wie das Echo zum Rad auf der Hannover Messe ausfällt. "Künftig könnte das Speedbike von Pendlern genutzt werden, die nicht verschwitzt bei der Arbeit ankommen wollen", sagt er. Der Flitzer eigne sich aber auch für all jene, die es leid sind, sich die Hände an herausgesprungenen Ketten zu verschmieren, die fallen jetzt schließlich weg. Marktchancen sieht Wiesner auch im Bereich Radverleih und in der Postbranche. "Boten könnten ihre Sendungen künftig mit einem Speedbike ausliefern, sie sind damit schneller und benötigen weniger Kraft."

Wann das Rad bei der Mifa in Serie produziert wird, steht noch nicht ganz fest. "Wir rechnen mit dem Serienstart frühestens 2016, es könnte aber auch 2017 werden", sagt Firmenchef Heinrich von Nathusius. "Wir wollen aber so schnell wie möglich das Rad auf den Markt bringen."

Markt für E-Bikes wächst um 17 Prozent

Günstig zu haben wird das Speedbike wohl zunächst nicht sein. Designer Wiesner rechnet mit einem Stückpreis ab 5000 Euro. Zum Vergleich: Herkömmliche Elektrofahrräder kosten zwischen 1000 und 3000 Euro. Der Preis könne jedoch später schwanken, betont Wiesner. Je nachdem, für welche Zwecke und mit welchen Extras die Räder gebaut werden. Eine Feinheit ist die stufenlose Gangschaltung. Per Knopfdruck kann der Radfahrer den Gang wechseln, ohne dabei aus dem Tritt zu kommen. Wenn er sich nicht damit beschäftigen will, in welchem Gang er fährt, kann er auch die Automatik aktivieren. Er gibt dann vorher nur ein, mit wie viel Kraft er treten möchte. Die Schaltelektronik entscheidet dann selbst, welcher Gang eingelegt wird. Wiesner und sein Forscherteam sind jedenfalls zuversichtlich, dass das Speedbike ein Erfolg werden kann.

Der Markt ist da: Auf deutschen Straßen rollen laut dem Berliner Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) inzwischen 2,1 Millionen Elektrofahrräder, 2014 stieg der Jahresabsatz um 17 Prozent auf 480000 Stück. Der ZIV schätzt den gesamten Fahrradbestand in Deutschland auf rund 72 Millionen.

"Der Markt für E-Bikes ist sehr interessant, er ist zwar noch recht klein, wächst aber stark", betont Mifa-Inhaber von Nathusius. Für sein Unternehmen, das er erst Anfang 2015 aus der Insolvenz heraus übernommen hatte, wäre es ein Schritt nach vorn, wenn sich das Speedbike erfolgreich verkauft. Die gemeinsame Forschungsleistung hätte dann dazu beigetragen, Jobs in Sachsen-Anhalt zu sichern.