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Automesse in Shanghai Die goldenen Zeiten sind vorbei

Eine Automesse der Superlative: Mehr Hersteller als je zuvor tummeln
sich in Shanghai. Doch das Wachstum auf dem größten Automarkt kühlt sich
ab. Die Konkurrenz wird härter. Wie groß sind die Gefahren?

Von Andreas Landwehr und Max-Morten Borgmann 21.04.2015, 01:18

Shanghai (dpa) l Ist die Party zu Ende? Nach den Boomjahren auf dem größten Automarkt der Welt in China haben besonders die ausländischen Autobauer plötzlich zu kämpfen. Das Wachstum hat sich verlangsamt, die Risiken steigen. Mehr Autobauer wollen ein Stück vom Kuchen abhaben, wie die Rekordbeteiligung auf der Automesse in Shanghai demonstriert. Der Wettbewerb wird schärfer. Händler kritisieren ausländische Autobauer, weil sie deren "unrealistische" Verkaufsziele nicht mehr erfüllen können. "Die goldenen Zeiten für die Verkäufer gehen zu Ende", sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen. "China wandelt sich zum Käufermarkt."

Auch verlagert sich das Wachstum: Die neuen Märkte in weniger entwickelten Städten abseits der wohlhabenden Top-50-Metropolen verlangen nach billigeren und geländegängigen Autos. Die chinesischen Hersteller, die dafür das richtige Angebot haben und qualitativ aufholen, erleben mit zweistelligen Zuwachsraten fast einen "zweiten Frühling". Dagegen wächst das Geschäft des Volkswagen-Konzerns im ersten Quartal trotz Marktführerschaft gerade mal um zwei Prozent im Vorjahresvergleich, wobei die Marke Volkswagen sogar ein Minus aufweist.

Es fehlen Kapazitäten, um neue Modelle zu starten. Und es fehlen passende Produkte, räumt VW-China-Vorstand Jochem Heizmann offen ein. Rasanten Absatz erleben kostengünstige Gelände- oder Mehrzweckwagen, die Familien viel Platz bieten und auch auf weniger ausgebauten Straßen zum Einsatz kommen können. "In den Segmenten sind wir nicht drin", sagt Heizmann. So ein günstiges "Budget-Car" ist bei VW seit Jahren im Gespräch - weiter aber auch nicht.

Deutsche Marken wie Volkswagen hätten kein ausreichendes Angebot für die veränderte Nachfrage, sagt Cui Dongshu, Chefökonom der Vereinigung der chinesischen Personenwagenindustrie. "Deswegen ist ihr Geschäft auch so eingebrochen." Autos aus chinesischer Produktion kosteten im Schnitt 100 000 Yuan (rund 15 000 Euro), was eher auf den schmaleren Geldbeutel in neuen Wachstumsregionen zugeschnitten sei als die 200 000 Yuan, die ausländische Marken meist kosteten. "Außerdem haben chinesische Hersteller die Qualität und Zuverlässigkeit ihrer Produkte stark verbessert", sagt Cui.

Absatzvorgaben nach unten korrigiert

Trotz des Frühlings sieht Geely-Chef Li Shufu noch keinen Sommer für chinesische Hersteller. Er nennt den Absatzsprung für chinesische SUV ein "kurzfristiges" Phänomen. "Trotz starken Wachstums bei Geländewagen gibt es keinen Zweifel, dass sich der gesamte Markt abkühlt", stellt auch IHS Automotive fest. Ein auffälliges Symptom, dass die Geschäfte schlechter laufen, sind die zunehmenden Klagen der erfolgsverwöhnten Händler.

So kritisierten die BMW-Händler offen unrealistische Absatzziele. "Die Vorgaben sind zu hoch und zu viele Autos stehen noch auf ihren Höfen", sagt eine Mitarbeiterin der Vereinigung der Autohändler (CADA). BMW-Händler haben zweimal in wenigen Monaten an den Münchner Autobauer geschrieben. Um den Unmut zu besänftigen, hatte BMW im Januar schon 820 Millionen US-Dollar an Bonuszahlungen gewährt, obwohl "nicht alle Händler die Vorgaben für 2014 ganz erfüllen konnten". Auf die neuen Klagen hin wurde die Absatzplanung für das zweite Quartal nach unten korrigiert.

Noch werden Vertriebsnetze ausgebaut. Das Geschäft wird jetzt im Westen mit seinem Nachholbedarf gemacht, während im übersättigten Osten die Luft raus ist. "Jeder will seinen Kuchen vergrößern", sagt Dudenhöffer. Das aber drücke auf die Preise: "Die Zeit der goldenen Gewinne und Margen geht zu Ende." Das bestätigte schon im März BMW-Chef Norbert Reithofer. Die Deckungsbeiträge der vergangenen Jahre seien heute nicht mehr zu erzielen.

Mit der großen Abhängigkeit vom Reich der Mitte wachsen auch die Risiken. Deutsche Autohersteller produzieren heute jedes fünfte Auto in China. Bis 2021 werden es 30 Prozent sein, wie die Unternehmensberater von PricewaterhouseCooper voraussagen. "Wenn dann die Wirtschaft in China einen Schnupfen erhält, kann das wehtun", sagt Dudenhöffer.