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EU-Krisengipfel Flüchtlinge werden zur Chefsache

Die Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer setzen die EU unter Druck. Ein
hochrangiger UN-Vertreter wirft der Europäischen Union komplettes
Versagen in dieser Frage vor. Die Kommission will nun gegensteuern.

21.04.2015, 01:21

Luxemburg/Rom (dpa) l Nach den jüngsten Unglücken im Mittelmeer mit wahrscheinlich Hunderten Toten macht die Europäische Union (EU) die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer zur Chefsache. "Das kann nicht so weitergehen", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Bei einem Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel könnten die Staats- und Regierungschefs als Teil eines Zehn-Punkte-Plans eine Aufstockung der Seenothilfe beschließen. Nach den Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gibt es Überlegungen, das Budget und die Zahl der dafür eingesetzten Schiffe kurzfristig zu verdoppeln. Damit reagiert die EU auch auf massive Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik.

Legale Fluchtwege gefordert

Die Hunderten von Toten seien Ergebnis eines anhaltenden Politikversagens und eines "monumentalen Mangels an Mitgefühl", sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein. Statt nach sinnlosen strengeren Abschottungsmaßnahmen zu rufen, müsse die EU legale Fluchtwege und mehr Rettungskapazitäten für das Mittelmeer bereitstellen.

Der italienischen Küstenwache zufolge war ein Fischerboot mit Hunderten Flüchtlingen an Bord in der Nacht zum Sonntag etwa 130 Kilometer vor der libyschen Küste gekentert. 24 Leichen wurden geborgen, 28 Menschen gerettet. Ein Überlebender sprach von bis zu 950 Menschen an Bord. Am Montag gerieten drei weitere Schiffe mit mindestens 400 Menschen an Bord im Mittelmeer in Seenot. Nach Hilferufen seien Rettungseinsätze eingeleitet worden, sagte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi. Bis zum späten Nachmittag hab es dazu keine neuen Angaben.

Der britische Premierminister David Cameron forderte vor dem EU-Sondergipfel einen "umfassenden Plan" zur Verhinderung weiterer Tragödien. Rettungseinsätze müssten Teil des Plans sein, vor allem aber müssten die Probleme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge entschiedener angegangen werden. "Und wir müssen hart durchgreifen gegen die schrecklichen Schleuser und Menschenschmuggler, die der Kern dieses Problems sind."

Tschechien stand mehr Kapazitäten bei der Seenotrettung skeptisch gegenüber. "Wenn wir den Schleppern ihre Arbeit erleichtern und von Bord gegangene Flüchtlinge entgegennehmen, wird daraus für sie ein noch besseres Geschäft", warnte Außenminister Lubomir Zaoralek.

Am Montag schwand die Hoffnung, im Mittelmeer weitere Überlebende der Katastrophe vom Wochenende zu finden. Ob das Schiff und die vermutlich Hunderten Leichen geborgen werden können, war unklar. Die Küstenwache hatte erklärt, möglicherweise werde es keine Gewissheit über die Zahl der Toten geben, da das Mittelmeer an der Unglücksstelle sehr tief sei. Die wenigen Überlebenden sollten am Montagabend mit einem Schiff Sizilien erreichen. Der zuständige Staatsanwalt erklärte, die meisten Flüchtlinge seien in den unteren Decks des Schiffs eingesperrt gewesen, als das Unglück geschah. Tausende Migranten, vor allem aus Ländern Afrikas südlich der Sahara und aus Syrien, hatten in den vergangenen Wochen versucht, Italien zu erreichen.