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Verhaltensänderungen Nach der Herz-Operation verwirrt

Unmittelbar nach einem großen chirurgischen Eingriff zeigen insbesondere ältere Patienten nicht selten Verhaltensveränderungen, die Angehörige beunruhigen können. Welche Erklärungen gibt es? Haben die Ärzte bei der Narkose etwas falsch gemacht?

Von Uwe Seidenfaden 20.05.2015, 03:23

Magdeburg l Der aus Magdeburg stammende Kabarettist und Schauspieler Rainer Basedow berichtete unlängst in einer Talkshow, darüber, wie er die ersten Tage nach einer achtstündigen Herzoperation erlebte. Nachdem er aus der Narkose erwachte, sah er die Welt gewissermaßen mit anderen Augen. Er sah irrationale Dinge wie "goldene Fische an den Wänden" und "russische Zwillinge, die mit ihm redeten".

"Derartige Zustände können nach größeren Operationen, insbesondere nach chirurgischen Eingriffen am Herzen, vorkommen", sagt Prof. Dr. Ingo Kutschka, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Herz- und Thoraxchirurgie. Mediziner sprechen von einem "postoperativen Delir".

Halluzinationen sind nach Operation selten

Die Symptome sind vielfältig. Sie reichen von kaum bemerkbaren Verzögerungen des Denkens und Redens über Orientierungsprobleme, Vergesslich- und Schläfrigkeit bis hin zu optischen Halluzinationen, Ängsten, Wahnvorstellungen und Unruhezuständen, in denen die Patienten medizinische Überwachungssensoren und Katheter entfernen oder aus dem Bett steigen.

Über die Häufigkeit dieser Auffälligkeiten gibt es widersprüchliche Angaben: Sie reichen von zwölf bis etwa 40 Prozent, wobei Frauen und Männer über 60 Jahre häufiger als jüngere Patienten betroffen sind. "Schwerwiegende Angststörungen und Halluzinationen sind zum Glück vergleichsweise selten", sagt Dr. Johannes Hadem, Leiter des Bereichs Intensivmedizin an der Magdeburger Universitätsklinik für Herz- und Thoraxchirurgie.

Angehörige eines operierten Patienten empfinden ein verändertes Verhalten nach der OP als beunruhigend. Mehrere klinische Studien haben gezeigt, dass die Narkose allein das "postoperative Delir" nicht auslöst. Es sind vielmehr eine ganze Reihe anderer Risikofaktoren, die zu Veränderungen kognitiver Funktionen nach der OP führen können. Zu berücksichtigen sind beispielsweise das Alter der Patienten und der allgemeine Gesundheitszustand, vorbestehende Durchblutungs-, Herzrhythmus- und Stoffwechselstörungen, chronische Nieren- und Leberfunktionsstörungen, neurologische Vorerkrankungen, Art und Dauer der Operation, zu geringe Flüssigkeitsaufnahme nach der OP.

Negative Wirkung von Kliniksituationen

"Ziel ist es, die Patienten auch nach großen Operationen am Herzen schnell schmerzfrei und wieder mobil zu machen", so Johannes Hadem. Um Zustände wie Verwirrtheit oder geistige Abwesenheit zu vermeiden, sollten Patienten wenig Stress haben und ihre Lebensgewohnheiten während des Klinikaufenthaltes, soweit es möglich ist, beibehalten.

Deshalb wollen die Ärzte schon vor dem Eingriff möglichst viel von ihren Patienten erfahren. Das betrifft nicht nur Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzuckerwerte, sondern unter anderem auch Auskünfte zu Lebensgewohnheiten. "Wer täglich zwei oder mehr Flaschen Bier trinkt oder regelmäßig raucht, sollte es uns sagen", rät der Intensivmediziner, denn plötzliche Veränderungen durch die Kliniksituation können sich negativ auf das Befinden auswirken und das "postoperative Delir" begünstigen.

Um das zu vermeiden, drücken Ärzte, Schwestern und Pfleger auch schon einmal ein Auge zu und erlauben die Flasche Bier im Patientenzimmer. Wichtig nach dem Erwachen aus der Narkose ist der Körperkontakt mit der Umwelt. Der Patient soll möglichst wenig Schmerzen haben und muss dennoch seinen Körper spüren. Insbesondere ältere Patienten mit längerem Klinikaufenthalt müssen manchmal auf Luftkissenbetten gelagert werden, um Druckgeschwüre zu verhindern. So schweben sie wie auf Wolken und verlieren leicht ihr gewohntes Körpergefühl.

Erholungsphase kann mehrere Monate dauern

Wenn aber die Patienten nach der OP in normalen Betten bleiben können und regelmäßig durch das Pflegepersonal in eine sitzende Position gelagert werden, verlieren sie nicht ihre Körperwahrnehmung und zeigen seltener Verhaltenssauffälligkeiten. "Außerdem hilft es, die Patienten schon bald nach der OP von der Intensivstation auf eine Normalstation zu bringen, wo sie mehr Ruhe für ihre Genesung finden", so Hadem. Ebenso wichtig ist auch eine angemessene Schmerztherapie, so dass die Patienten nicht leiden, aber auch nicht ständig müde und apathisch sind.

Die gute Nachricht ist, dass sich die meisten Patienten selbst nach großen Operationen bezüglich ihrer geistigen Fähigkeiten vollständig erholen. Dies kann jedoch einige Tage oder Wochen, manchmal sogar einige Monate dauern. Eine Ausnahme bilden Menschen, die mit einer Demenz-erkrankung in die Operation gehen. Der Stress kann bei ihnen den weiteren Abbau der geistigen Fähigkeiten beschleunigen.

In Kürze wollen die Ärzte von der Magdeburger herzchirurgischen Klinik untersuchen, ob eine während der Operation durchgeführte Überwachung des Gehirn-Sauerstoffs den geistigen Zustand von Patienten nach der Operation verbessern kann. Ziel ist es, Minderdurchblutungen des Gehirns während der Operation rechtzeitig zu erkennen oder zu vermeiden.