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Eurovision Song Contest Zwischen Harmonie und Konflikten

Die Spannung beim Eurovision Song Contest in Wien steigt. Der Kampf um Europas Musik-Krone scheint völlig offen. Etliche Kandidaten setzen auf bewährten Schmalz-Pop. Doch es gibt auch einiges Skandalpotenzial.

21.05.2015, 01:13

Wien (dpa) l Schweden? Italien? Oder doch Australien? Glaubt man den Wettanbietern, landen diese drei Länder beim Eurovision Song Contest (ESC) in Wien weit vorne. Der deutschen ESC-Hoffnung Ann Sophie räumen die Buchmacher keine großen Chancen ein, sie rangiert bei den Wettanbietern jenseits der Top Ten.

Neben der alljährlichen Frage nach dem ESC-Gewinner stellt sich dieses Jahr jedoch noch eine fast genauso spannende: Wie politisch wird der ESC? Das Finale der Musik-Show an diesem Sonnabend in der Wiener Stadthalle dürfte in jedem Fall einige Überraschungen bereithalten.

Erinnerung an Armenien-Massaker

Der Sieg der österreichischen Dragqueen Conchita Wurst im vergangenen Jahr hatte das Tor für Statements bei Europas größtem Musikwettbewerb schon weit aufgestoßen. In Kopenhagen polarisierte und begeisterte die "Frau mit Bart" mit ihrer Botschaft von Toleranz und Respekt für alle Menschen. Klare politische Äußerungen sind laut Reglement eigentlich untersagt. In der Vergangenheit wurden manche Lieder wegen zu eindeutiger Botschaften nicht zugelassen. Doch in diesem Jahr haben manche Teilnehmersongs eine recht eindeutige Agenda.

Mit "Face The Shadow" erinnert zum Beispiel das armenische Musikprojekt Genealogy an die Massaker an den Armeniern 1915. Die Zusammensetzung der Band spiegelt die Diaspora des verstreuten Volkes. Neben einer Sängerin aus Armenien sind armenischstämmige Musiker aus Frankreich, Japan, den USA, Australien und Äthiopien vertreten.

Der nächste politisch angehauchte Song kommt aus Ungarn: Mit "Wars for Nothing" präsentiert die Sängerin Boggie eine sanfte Ballade, in der sie für den Weltfrieden singt. Mehr als 30 Jahre nach dem Sieg von Nicole mit "Ein bißchen Frieden" stehen die Chancen für Boggie nicht schlecht. Auch die für Russland startende Polina Gagarina präsentiert mit "A Million Voices" einen Aufruf zu harmonischem Miteinander. Armenien, Ungarn und Russland haben den Einzug ins Finale geschafft.

Finnland sorgt für Aufsehen

Der ausrichtende österreichische Rundfunk (ORF) will dem Glitzer-Event ebenfalls mehr inhaltliche Bedeutung beimessen. Mit einer barrierefreien Stadthalle sowie Gebärdendolmetschern, die bei den Übertragungen für Gehörlose mit Gesten auch ein Gefühl für die Musik vermitteln sollen, will der Sender den ESC "grenzenlos" vermitteln und dem Motto "Building Bridges" Rechnung zollen. "Das Verbindende soll unsere Botschaft sein," erläutert ORF-Intendant Alexander Wrabetz.

Der Beitrag aus Finnland erregte in diesem Zusammenhang zumindest bis zum Halbfinale einiges Aufsehen. In der finnischen Band Pertti Kurikan Nimipäivät (PKN) traten vier Punks mit Behinderung an. In der Gunst des Publikums fielen sie im ersten Halbfinale allerdings durch, für das Finale qualifizierten sie sich nicht. Ihr Fazit fällt dennoch positiv aus: "Wir sind nicht ins Finale gekommen, aber wir haben diesen ganzen Wettbewerb gewonnen."

Was Sie noch über Eurovision Song Contest 2015 wissen müssen:

Die deutsche Jury
Und das ist die deutsche Jury für den Eurovision Song Contest: Die Sänger Mark Forster ("Flash mich"), Ferris MC ("Zur Erinnerung") und Johannes Strate ("Es tut mir weh, dich so zu sehen") sowie die Sängerin Leslie Clio ("I Couldn`t Care Less") und der Produzent Swen Meyer (Kettcar, Tomte) werden Punkte vergeben.

Wertigkeit der Stimmen
Die fünf Experten bestimmen damit zur Hälfte das Abstimmungsergebnis aus der Bundesrepublik. Die anderen 50 Prozent legen die Zuschauer per Telefon, SMS und App fest.

Deutschland darf beim Finale und auch schon beim zweiten Semifinale seine Wertung für Künstler anderer Nationen abgeben. Die Jury stimmt aber - anders als das TV-Publikum - nicht während der jeweiligen Live-Sendungen aus Wien am 21. und 23. Mai ab. Es geschieht schon nach der zweiten Generalprobe am Abend davor, den sogenannten "Jury-Finalen". Diese Shows sehen die Jury-Mitglieder in einer speziellen, nicht öffentlichen Übertragung gemeinsam in Hamburg.

Die Moderatorinnen

Erstmals gibt es ein Moderatorinnen-Trio: Die 90er-Jahre-Talkshow-Ikone Arabella Kiesbauer, die französischstämmige Arte-Moderatorin Alice Tumler und Österreichs wohl bekannteste Moderatorin, Mirjam Weichselbraun.

Nachbarn mit kalter Schulter
Beim ESC zeigen sich die Nachbarn Deutschland und Österreich gerne die kalte Schulter. Bei 47 gemeinsamen Teilnahmen hat Deutschland den Liedern aus der Alpenrepublik 30-mal null Punkte gegeben. Umgekehrt zeigte sich auch Österreich nicht gerade generös: 21-mal "zéro points" für die Bundesrepublik. Zu den bemerkenswerten nachbarschaftlichen Abstimmungen zählte auch, dass Udo Jürgens bei seinen drei Teilnahmen keinen einzigen Punkt aus Deutschland bekam.

Fernsehen
Das Erste stimmt am Sonnabend ab 20.15 Uhr mit dem Countdown von der Hamburger Reeperbahn auf das Finale ein. Um 21 Uhr schaltet die ARD nach Wien. Nach der Entscheidung folgt ab 0.35 Uhr die "Grand Prix Party".