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EU-Studie zeigt Missstände in allen Ländern Noch viele Stolpersteine für Homosexuelle

18.05.2013, 01:15

Soziale Isolation bis hin zu offenen Anfeindungen: Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender haben in Europa noch mit einigen Problemen zu kämpfen. Es gebe großen Aufholbedarf bei der gesellschaftlichen Akzeptanz. Das zeigt eine Studie der EU-Grundrechte-Agentur (FRA), die am Freitag, dem Tag gegen Homophobie, in Den Haag vorgestellt wurde.

Danach erlebte fast die Hälfte aller Befragten (47 Prozent) im vergangenen Jahr eine Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Deutschland liegt mit 48 Prozent einen Punkt über dem EU-Schnitt. Viele verheimlichen ihre Neigung deshalb. Sechs Prozent der Befragten erzählten von körperlichen Angriffen in den vergangenen zwölf Monaten, die zum Teil in der eigenen Familie stattfanden. Frauen wurden häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen.

Doch nur etwa jeder fünfte Zwischenfall wurde bei der Polizei angezeigt. Viele Betroffene zweifeln, dass sich dadurch etwas verbessern könnte. "Ich erlebe so viel Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, dass es zu meinem Alltag geworden ist", sagte ein 25-jähriger bisexueller Transgender aus Litauen in der Befragung.

Insgesamt nahmen über 93 000 Menschen aus der gesamten EU und Kroatien im vergangenen Jahr an der nicht repräsentativen Online-Studie teil. Alle Befragten waren über 18 Jahre und bezeichneten sich als Transgender, homo- oder bisexuell. Mit über 20 000 kamen die meisten Antworten aus Deutschland.

Die Betroffenen zeigen selten offen ihre Zuneigung. Zwei Drittel (66 Prozent) der Studienteilnehmer sagten, sie vermieden es, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten - aus Angst vor den Konsequenzen.

Die EU-Organisation fordert deshalb, dass Polizisten verstärkt geschult werden, um mit der Thematik besser umgehen zu können. Sollte es zu Übergriffen wegen der sexuellen Orientierung kommen, sollte dies erschwerend bei der Strafe berücksichtigt werden.Ähnlich wie es bei rassistisch motivierten Taten bereits in einigen Ländern gemacht wird.

Gesetzeslücken EU-weit schießen

Gesetzeslücken, etwa bei Diskriminierungen im Mietrecht oder bei Dienstleistungen, sollten in der gesamten EU einheitlich geschlossen werden. Vorreiter in Europa, was die Rechte für Homosexuelle und Transgender angeht, sind nordische Länder wie Dänemark, Schweden und Großbritannien. Dort setzte die Politik eigene Aktionspläne ein. Trotzdem gibt es laut den Studienautoren auch dort noch Nachholbedarf.

Die ersten negativen und für viele schlimmsten Erfahrungen sammelten Betroffene in ihrer Jugend. Vielfach wurde die Schulzeit in der Studie als "Hölle" bezeichnet. 91 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten erlebt, dass Mitschüler schlecht behandelt wurden, nur weil sie für schwul oder lesbisch gehalten wurden. Ein Großteil behielt daher seine Neigung während der Schulzeit für sich.

In der Arbeitswelt berichten Betroffene ebenfalls von Problemen: Jeder fünfte Befragte erlebte am Arbeitsplatz oder schon bei der Suche nach einem Job Diskriminierung. "Mein Verhalten in der Arbeit beinhaltet einiges an Selbstzensur und zurückhaltendes Auftreten", sagte ein 31-jähriger Schwuler aus Deutschland.

Am stärksten sind Transgender betroffen. Sie gaben am häufigsten an, intolerantem Verhalten in der Berufswelt und im Gesundheitswesen ausgesetzt gewesen zu sein.

Öffentliche Unterstützung von Politikern habe große Vorbildwirkung. Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der offen zu seiner Homosexualität steht und in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, wirke in Deutschland als Leitfigur: "Das macht natürlich einen positiven Unterschied zu anderen Ländern", sagte die Sprecherin der FRA, Waltraud Heller. In Ländern, in denen sich Politiker selbst abwertend über Homosexualität äußerten, fühlten sich Befragte häufiger diskriminiert.

Auch die eigene Offenheit kann laut Studie zu mehr Akzeptanz führen: Geoutete Menschen berichteten demnach von weniger Diskriminierung als jene, die nicht offen mit ihrer Neigung umgingen. (dpa)