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Tote bei Straßenschlachten in KiewPolizei stürmt den Maidan-Platz

19.02.2014, 01:24

Kiew (dpa) l In der Ukraine hat sich die Lage dramatisch zugespitzt. Nach blutigen Auseinandersetzungen nimmt die Polizei das Protestlager auf dem Maidan ins Visier. Die Aufruhe zur friedlichen Lösung verhallen ungehört.

Nach der Eskalation der Gewalt bei den ukrainischen Massenprotesten mit mindestens 25 Toten und fast 400 Verletzten ist die Polizei in Kiew gegen die Barrikaden der Opposition vorgerückt. Sicherheitskräfte und Regierungsgegner lieferten sich am Unabhängigkeitsplatz Maidan schwere Straßenschlachten.

135 Polizisten wurden nach Behördenangaben verletzt. Das Stadtzentrum lag am Dienstagabend in Flammen. Bei Auseinandersetzungen waren zuvor im Tagesverlauf mindestens zwei Demonstranten sowie zwei Polizisten erschossen worden.

Das Innenministerium hatte kurz vor Beginn des abendlichen Einsatzes die noch zu Tausenden versammelten Regierungsgegner zum Verlassen des Platzes aufgefordert. Es folge eine "Anti-Terror-Operation", hieß es. Die Oppositionsführung rief Frauen und Kinder in ihren Reihen auf, den Platz zu verlassen. Die Parlamentsabgeordneten wurden zu einer Dringlichkeitssitzung am späten Dienstagabend zusammengerufen.

Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte den Westen zur Intervention auf. Die Spitzen demokratischer Staaten dürften nicht tatenlos zusehen, "wie ein blutiger Diktator sein Volk tötet", sagte Klitschko einer Mitteilung.

Auch in anderen ukrainischen Städten versammelten sich Regierungsgegner zu Protesten. Die Entwicklung löste international Besorgnis aus. Bereits im Vormonat waren bei Ausschreitungen mehrere Menschen in Kiew ums Leben gekommen.

Am Abend war ein Ultimatum der Staatsmacht zur Räumung des Maidan abgelaufen. Die ukrainische Protestbewegung wollte den seit November besetzten Platz nicht freigeben. "Wir sind hier auf dem Maidan und geben ihnen nicht die Möglichkeit, ihn zu säubern", sagte Oppositionspolitiker Vitali Klitschko vor dem abendlichen Einsatz der Polizei. Zugleich kündigte er neue Verhandlungen mit Präsident Viktor Janukowitsch für diesen Mittwoch an. Es dürfe zu keinem weiteren Blutvergießen kommen, forderte Klitschko.

Sieben Zivilisten und zwei Sicherheitskräfte seien getötet worden, sagte ein Polizeisprecher der Agentur Interfax. Mindestens zwei Demonstranten und zwei Polizisten seien jeweils durch Schüsse getötet worden. Die Opposition machte Mitglieder der berüchtigten Polizei-Spezialeinheit Berkut (Steinadler) für die Angriffe auf Regierungsgegner verantwortlich. Im Internet kursierten Fotos von einem Priester, der drei mit Papier bedeckte Körper segnete.

Bei der Erstürmung eines Büros der regierenden Partei der Regionen in Kiew durch Regierungsgegner wurde nach Angaben der Rettungskräfte mindestens ein Mann getötet. Die Partei teilte Medien zufolge mit, bei dem Opfer handele es sich um einen Sicherheitsmann. Regierungsgegner hatten das Büro gestürmt und verwüstet. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden insgesamt mehr als 100 Menschen verletzt.

Die Ukraine wird seit Monaten von einem Machtkampf gelähmt. Die Opposition protestiert gegen Janukowitsch, seit der Präsident auf Druck Russlands ein weitreichendes Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hatte. Die Opposition verlangt Neuwahlen und eine neue Verfassung, die die Vollmachten des Präsidenten erheblich zugunsten des Parlaments beschneidet.

Radikale Regierungsgegner besetzten nach Polizeiangaben erneut das Gebäude der Stadtverwaltung in Kiew. Die Oppositionsanhänger hatten das Gebäude erst am Montag nach monatelanger Besetzung verlassen. Im Gegenzug hatte die Justiz mehr als 240 festgenommenen Protestierer begnadigt.

Die ukrainische Führung forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Gewalt von Regierungsgegnern zu verurteilen. "Radikale Kräfte haben in Kiew und anderen Städten der Ukraine einen neuen, durch nichts zu rechtfertigenden Ausbruch von Gewalt und Gesetzlosigkeit initiiert", zitierten Medien den amtierenden Außenminister Leonid Koschara.

Außenminister Steinmeier drohte angesichts der Gewalt in Kiew mit Sanktionen. "Wer Entscheidungen zu verantworten hat, die zu einem Blutvergießen im Zentrum Kiews oder anderswo in der Ukraine führen, wird damit rechnen müssen, dass Europa die bisherige Zurückhaltung bei persönlichen Sanktionen überdenken muss", erklärte Steinmeier in Berlin. Die Opposition in der Ukraine fordert seit längerem Einreiseverbote in die EU für Regierungsmitglieder oder Kontensperrungen. Die EU hat das bisher abgelehnt.