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Haushaltsdebatte im Bundestag Zwischen Selbstlob und schiefen Bildern

Vier Stunden wird über den Etat der Kanzlerin debattiert, nur eine Stunde davon kommen Linke und Grüne zu Wort.

10.04.2014, 01:22

Berlin (dpa) l Gregor Gysi spart sich die ersten zehn Minuten. Der Linken-Fraktionschef muss am Mittwoch bei der Generaldebatte im Bundestag seiner Parteivorsitzenden Katja Kipping den Vortritt lassen - und verpasst bei Kippings Abrechnung mit der Politik der Kanzlerin einen besonderen Vergleich. "Die Hebammen lassen Sie im Regen stehen", meint Kipping. Um dann fast im gleichen Atemzug das Ausmaß der Rüstungsexporte zu kritisieren: "Denjenigen, die Geschäfte mit dem Tod machen, greifen sie unter die Arme."

Neun Uhr, Deutscher Bundestag, der Etat der Kanzlerin steht zur Debatte. Früher war das die Stunde der Opposition, ein Schlagabtausch. Heute nutzt Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) die Debatte zu einer Art großem Koalitionsausschuss - und reicht seinem SPD-Pendant symbolisch die Hand.

Kipping redet, kaum jemand hört zu.

Andrea Nahles sitzt mehrere Minuten alleine vor Beginn der Debatte auf der Regierungsbank. Dann kommt die Kanzlerin, ein freundlicher Plausch, zum Schluss macht Angela Merkel (CDU) die Faust - ein Signal an die Arbeitsministerin, dass man das mit dem Rentenpaket schon gemeinsam wuppt?

Kipping redet 16 Minuten, zwischendurch hat sie die Regierungsbank zu ihrer Rechten fest im Blick. Doch niemand schaut zurück. SPD-Chef Sigmar Gabriel redet mit Merkel. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) checkt ihr Handy. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat dem Parlament den Rücken zugewandt. Er plaudert mit den Ministern Hermann Gröhe (CDU) und Heiko Maas (SPD). Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plaudert mit Merkel. Beide lachen, die Chemie scheint zu stimmen.

Merkel nordet zu Beginn ihres Auftritts ihre Vorrednerin Kipping erstmal ein. "Frau Kollegin, Ihr Versuch, über die Tatsachen zu sprechen, ist kräftig danebengegangen", meint sie. Dann preist sie den für nächstes Jahr geplanten ersten Haushalt ohne neue Schulden seit 1969. Dann kommt wieder die Faust: Sie verteidigt den Erhalt massiver Industrie-Rabatte bei der Ökostrom-Förderung. "Wir müssen Arbeitsplätze und Klimaschutz zusammenbringen."

Interessant ist das Applausverhalten, es sagt viel über das Koalitionsklima aus. Mit dem Doppelpass für hier aufgewachsene Zuwanderkinder werde das Signal ausgesandt: "Ihr seid hier willkommen." Lauter Applaus bei der SPD, eher schlapp bei der Union. Merkel süffisant: "Ich verstehe da gar nicht die Zurückhaltung bei uns." Am deutlichsten wird das bei der Rede von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Bei seiner Lobpreisung der Rente mit 63 regt sich bei der Union keine Hand (während die SPD die Mütterrente der Union heftig beklatscht).

"Sie verschulden sich an den Jungen."

Dann darf sich Katrin Göring-Eckardt versuchen. "Sie verschulden sich an den Jungen, an den Armen, an der Umwelt", wettert die Fraktionschefin der Grünen. "Die Generation der Unter-30-Jährigen hat bei Ihnen nichts zu lachen." Die Stromrabatte "hätten früher jedem Sozialdemokraten die Schamesröte ins Gesicht getrieben". Kleine Leute zahlten die Zeche, Gabriel mache auf den Genossen der Bosse. "Manchmal wünscht man sich ja sogar Peer Steinbrück zurück, der bei den Industrievertretern klare Kante gezeigt hat." Der Ex-Kanzlerkandidat der SPD sitzt ganz hinten und liest.

Dann kommt Oppermann: "Ich finde, die Grünen sollten sich auch mal über die wirtschaftlichen Erfolge in diesem Land freuen", sagt er - vor nicht langer Zeit sagte das noch Merkel zur SPD.

Als Kauder dann ans Rednerpult tritt, gibt er Göring-Eckardt einen mit: Die Grünen hätten ja nicht mit der Union koalieren wollen, daher sollten sie sich jetzt nicht beschweren. "Jetzt ist auch mal Schluss."

Kauder betont, entgegen einigen Unkenrufen, dass er gut mit seinem Duz-Kollegen Oppermann zusammenarbeite. Beide müssten nun helfen, dass aus all den Reformprojekten Gesetze werden. "Wir werden diese Große Koalition genauso zu einem Erfolg führen wie die letzte." Zum Schluss nutzt er die Gelegenheit, ein paar rote Linien in dieser übergroßen Koalition mit 504 Sitzen zu ziehen. Richtung SPD sagt er: "Steuererhöhungen sind kein Ziel und keine Maßnahme."

Am Ende der vierstündigen Debatte haben Linken-Politiker 32 und Grünen-Politiker 31 Minuten geredet. Stiche haben sie kaum gemacht. Aber es gibt halt auch nur einen Gysi.