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Israel uneins über Reaktion auf Tat von Hamas-Mitgliedern Wut und Trauer nach Mord an Jugendlichen

02.07.2014, 01:27

Jerusalem | Hunderte Israelis versammelten sich auf den Straßen und zündeten Gedenkkerzen an. In Tel Aviv und Jerusalem weinten viele bei den Mahnwachen für die ermordeten drei Jugendlichen. Aus den Lichtern formten sie Davidsterne. "Das bittere Ende", titelte die auflagenstärkste kostenpflichtige Tageszeitung des Landes, "Jediot Achronot", am Dienstag, nachdem die Leichen der 16- bis 19-Jährigen gefunden worden waren. In die tiefe Trauer mischen sich aber auch unüberhörbar die Rufe nach Rache.

Die radikalislamische Hamas müsse nun einen "hohen Preis bezahlen", fordern viele Minister. Doch die Regierung ist noch unentschlossen, wie sie auf die blutige Tat reagieren soll. Es wird befürchtet, dass Israel bei zu harten Schritten in einen neuen Krieg hineinschlittern könnte.

Streit im Kabinett

Fast reflexartig bombardierten israelische Kampfjets in der Nacht zum Dienstag Stellungen der Hamas im Gazastreifen. Die Angriffe waren zwar deutlich heftiger als sonst, dennoch herrschte das Gefühl, es handele sich hier um "more of the same" - weiter wie bisher.

Bei einer eilig einberufenen Dringlichkeitssitzung des Sicherheitskabinetts kam es nach Medienberichten zum lautstarken Streit über den richtigen Kurs gegenüber der Hamas. Wirtschaftsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei habe eine breite Offensive gegen die radikalislamische Organisation gefordert, hieß es. Moderate Minister wie Zipi Livni hätten jedoch gemahnt, Israel müsse vor einer Entscheidung erst einmal "tief durchatmen". Verteidigungsminister Mosche Jaalon warnte vor einer Eskalation in Richtung eines neuen Krieges.

"Die Regierung Netanjahu muss jetzt lavieren zwischen der großen öffentlichen Wut über den Mord an den Jugendlichen, dem politischen Druck aus dem rechten Lager der Koalition, das eine harte israelische Reaktion fordert, und der Sorge vor einer Eskalation in Richtung einer breiten gewaltsamen Konfrontation mit der Hamas, vor allem im Gazastreifen", schrieb ein Kommentator der Zeitung "Haaretz" am Dienstag.

Bricht die gemäßigte Palästinenserführung von Präsident Mahmud Abbas jetzt mit der Hamas? Erst vor einem Monat hatten die beiden Palästinenserorganisationen eine Einheitsregierung gebildet. Israel drängt Abbas dazu, sie wieder aufzukündigen. Bei einer Sondersitzung in Ramallah wollte die Führung entscheiden, wie sie sich unter den neuen Umständen verhalten soll. Sie hat gedroht, Hamas werde "den Preis bezahlen", sollte die radikalislamische Organisation wirklich hinter der Entführung und den Morden stehen.

Bislang hat Israel aber noch keine echten Beweise vorgelegt, sondern nur die Identität der beiden Tatverdächtigen genannt. Die Hamas-Mitglieder sind seit dem Zeitpunkt der Entführung verschwunden und werden noch gejagt.

Es stellt sich die Frage, ob Israel härter zuschlagen wird, falls Abbas die Einheitsregierung mit Hamas nicht aufkündigt. Die Führung im Gazastreifen kann sich einen neuen Waffengang mit Israel im Moment gar nicht leisten. Die Organisation trägt noch Blessuren von den letzten großen Konfrontationen mit Israel in den Jahren 2009 und 2012.

Seit dem Bruch mit der ägyptischen Führung vor einem Jahr ist die Hamas im Gazastreifen praktisch völlig auf sich allein gestellt. Um dieser Isolation zu entkommen, hatte die Organisation Anfang Juni dieses Jahres eine Einheitsregierung mit der gemäßigten Fatah von Abbas gebildet. Gebetsmühlenartig wiederholen Hamas-Sprecher jedoch die Drohung, Israel werde mit einer neuen Offensive "das Tor zur Hölle" aufstoßen.

Keine "Bauchreaktion"

Israelische Kommentatoren warnen jetzt eindringlich vor einer "Bauchreaktion" auf den Mord an den Jugendlichen. Das Alltagsleben der Palästinenser dürfe nicht durch Kollektivstrafen beeinträchtigt werden. Israel müsse "intelligent und präzise" gegen Hamas vorgehen, schrieb ein Kommentator von "Jediot Achronot". "Weitreichende Einsätze und Kollektivstrafen könnten die Bevölkerung im Westjordanland der Hamas in die Arme treiben und eine Ausweitung des Terrors statt seine Verhinderung bewirken", warnte er. (dpa)