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Volksstimme-Redakteur hat sich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew umgeschaut / Die Menschen beklagen stark angestiegene Preise Mit der Ruhe auf dem Maidan könnte es schnell wieder vorbei sein

25.09.2014, 01:04

Der Maidan ist wieder zu einem ganz normalen Platz mutiert. Nur ein paar Losungen an den Stalin-Bauten am Rande des Freiheitsplatzes, Ort der Revolution mitten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, erinnern an die Ereignisse, die die Welt für Monate in Atem hielten. Vereinzelt bummeln junge Leute über die vormalige Revolutionsarena. Einige Restaurants locken mit greller Leuchtreklame Gäste an. Die Wege, aus denen aufgebrachte Kämpfer für eine freie Ukraine nach ihrem Bild die Steine für Straßenschlachten pflückten, sind frisch gepflastert.

Der neue Bürgermeister Vitali Klitschko, in Deutschland bekannt als Ex-Boxchampion, hat aufräumen lassen. Der Verkehr auf dem tangierenden Kreschtschatik, der Hauptstraße Kiews, braust, als wäre nichts gewesen. Davon, dass dieses 45-Millionen-Land im Krieg um den Ostzipfel seines Territoriums steht, ist nichts zu spüren. Dabei sind die Krim verloren, und vielleicht bald auch die Gebiete Lugansk und Donezk.

Noch 2012 Ausrichter der Fußball-EM und darum - im Gegensatz zu Berlin - mit einem modernen Flughafen ausgestattet, ist diese 1500 Jahre alte Stadt am Dnepr zum Zentrum eines globalen Konflikts geworden. Dieser nimmt weltweite Ausmaße an und bereitet selbst den Deutschen Angst.

Was aus der Ukraine wird, darüber sollen die Wahlen am 26. Oktober entscheiden. In Kiew sind neben der üblichen kommerziellen Reklame inzwischen jede Menge Großplakate zu sehen. Die Ukrainer werden sich sehr genau überlegen, bei welchem Kandidaten sie ihren Haken in der Wahlkabine machen.

Für die Kiewerin Katerina Tvardovska ist das jetzt schon klar: Sie wird den Block von Petro Petroschenko wählen, dem Präsidenten. "Er arbeitet seriös und vernünftig", sagt die studierte Germanistin. Sie hat genug von all den anderen Figuren, die über die Jahre im ukrainischen Polittheater aufgetaucht und wieder verschwunden sind. Die 56-Jährige hat die Hoffnung, "dass es Leute gibt, für die Patriotismus mehr zählt als nur das Geld". Denn schon wird in den ukrainischen Medien berichtet, für welche Unsummen sich Parlamentarier ihren Platz in der neuen Volksvertretung des Landes erkaufen wollen. Bisher war es nie anders, seit sich die Ukraine von der Sowjetunion für unabhängig erklärt hat.

Poroschenko ist auch kein Armer: Der Schokoladenkonzern "Roschen" hat ihn reich gemacht. Davon sind seine Landsleute weit entfernt: Sie stöhnen unter den gestiegenen Preisen im Zuge der Ukraine-Krise. Beispielsweise nötigt ein Benzinpreis von 80 oder 90 Cent pro Liter einem Deutschen vielleicht ein Lächeln ab, für Ukrainer mit einem (offiziellen) Durchschnittseinkommen von rund 220 Euro ist er ein Hammer. Mit der Ruhe auf dem Maidan könnte es schnell wieder vorbei sein.