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Türkischer Präsident Erdogan Papst fordert Religionsfreiheit in Türkei

29.11.2014, 00:59

Ankara (dpa) I Papst Franziskus hat bei seiner Türkei-Reise die Religionsfreiheit als "grundlegend" bezeichnet. Es sei wichtig, "dass die muslimischen, jüdischen und christlichen Bürger - sowohl in den gesetzlichen Bestimmungen, wie auch in ihrer tatsächlichen Durchführung - die gleichen Rechte genießen und die gleichen Pflichten übernehmen", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche bei seinem Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Freitag in Ankara.

Im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) rief der Argentinier zu gemeinsamen Anstrengungen auf: "Es ist erforderlich, dem Fanatismus und dem Fundamentalismus (...) die Solidarität aller Glaubenden entgegenzusetzen. Neben der dringend notwendigen Unterstützung und humanitären Hilfe können wir auch den Gründen dieser Tragödie nicht gleichgültig gegenüberstehen." Für dauerhaften Frieden sei ein "starker gemeinsamer Einsatz" nötig.

Franziskus dankte der Türkei für die Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen und betonte die Schlüsselrolle des Landes in dem Konflikt. "Die Türkei hat durch ihre Geschichte, aufgrund ihrer geografischen Lage und wegen ihrer Bedeutung in der Region eine große Verantwortung", erklärte er. Gleichzeitig betonte der Papst, die internationale Gemeinschaft habe die moralische Verpflichtung, die Türkei bei der Aufnahme der Flüchtlinge zu unterstützen.

Wenige Stunden vor Beginn des Papst-Besuches hatte Präsident Erdogan mit scharfen verbalen Attacken gegen den Westen international Irritationen ausgelöst. Die Fremden hätten es nur auf die Reichtümer der Muslime abgesehen, sagte er bei einer Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Istanbul.

"Die, die von außen kommen, mögen Öl, Gold, Diamanten, billige Arbeitskräfte sowie Gewalt und Streit", sagte der Präsident. "Sie scheinen vordergründig unsere Freunde zu sein, aber freuen sich über unseren Tod und über den Tod unserer Kinder."

Erster Gast im Prachtpalast

Erdogan rief die Länder der Region zur Zusammenarbeit auf. "Wir müssen viel stärker zur internationalen Politik beitragen. Wir steuern schon viel zur Weltwirtschaft bei", konstatierte er laut der Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Zugleich forderte er erneut eine Reform der Vereinten Nationen. Im UN-Sicherheitsrat drehe sich alles um die fünf ständigen Mitglieder. Die UN dürfe nicht vergessen, dass die Welt viel größer sei. "Wir müssen unsere Strategien überdenken. Es müssen Schritte unternommen werden, um die UN zu reformieren."

Erdogan war zuletzt mit Kommentaren zur angeblich untergeordneten Rolle der Frauen und mit der Behauptung aufgefallen, muslimische Seefahrer hätten vor Christoph Kolumbus Amerika entdeckt.

Als erstes ausländisches Staatsoberhaupt wurde der für seine Bescheidenheit bekannte Franziskus in dem "Ak Saray" ("Weißer Palast") genannten neuen Anwesen Erdogans empfangen, das rund 1000 Zimmer, Bunker und Schutzräume haben und 500 Millionen Dollar (400 Millionen Euro) gekostet haben soll.

Zu den Themen der sechsten Auslandsreise des Papstes gehören auch die Situation der christlichen Minderheit in dem muslimisch geprägten Land, die Lage im Nahen Osten und der interreligiöse Dialog.

Entgegen vieler Erwartungen fehlt auf dem Programm des Papstes jedoch eine Begegnung mit syrischen Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden in der Türkei Zuflucht gesucht haben. Dies sei nicht geplant - aber natürlich könnten bei einigen Gelegenheiten in Istanbul auch Flüchtlinge anwesend sein, betonte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi.

Neben der großen islamischen Mehrheit leben nur knapp 100 000 Christen in der Türkei. Christen und andere Minderheiten können ihre Religion zwar grundsätzlich ausüben, sie leiden aber unter Einschränkungen, wie auch der aktuelle EU-Fortschrittsbericht bemängelt. So darf etwa die orthodoxe Kirche keine Priester in der Türkei ausbilden.

Am heutigen Sonnabend reist der 77-jährige Pontifex weiter nach Istanbul, wo allein 7000 Polizisten zu seiner Sicherheit im Einsatz sein sollen. Anlass des Besuchs des katholischen Kirchenoberhaupts ist die Feier des orthodoxen Andreasfests mit Patriarch Bartholomäus am Sonntag.