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NSA-Affäre Der "große Lauschangriff"

Spitzenbeamte, Minister, Kanzlerin - der US-Geheimdienst NSA soll sie alle ausspioniert haben. Passend zum Enthüllungscoup geht Ex-Kanzleramtschef Pofalla im NSA-Ausschuss in die Offensive. Vor zwei Jahren hatte er NSA-Spionagevorwürfe zurückgewiesen.

03.07.2015, 01:01

Berlin (dpa) l "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht." Die Worte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Bekanntwerden des Lauschangriffs der Amerikaner auf ihr Handy sind fast zwei Jahre alt. Nun wird öffentlich, dass die US-Spionage bei der Bundesregierung noch weit umfassender gewesen sein soll als bisher geahnt. Die Empörung ist groß. Kanzleramtschef Peter Altmaier zitiert den US-Botschafter John B. Emerson herbei - während der frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla im NSA-Untersuchungsausschuss die Zusammenarbeit mit den Amerikanern beschwört.

Es war Pofalla, der im August 2013 deutliche Worte der Beruhigung setzte gegen Berichte über die Datenausspähung der NSA (siehe Infokasten). Die Enthüllungen durch Dokumente des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden hatten damals erst zwei Monate zuvor begonnen - und die Regierung Merkel im Bundestagswahlkampf unter Druck gesetzt. Pofallas Aussagen erschienen bald als verkehrt. Am 23. Oktober 2013 wurde bekannt, dass die NSA jahrelang das Handy der Kanzlerin abgehört hat.

Vor dem NSA-Untersuchungsausschuss geht Pofalla am Donnerstag in die Offensive: Er habe die Affäre nie für beendet erklärt - doch die Berichterstattung darüber habe auf einem "eklatanten Fehler" beruht. Berichtet worden sei, dass die Dienste flächendeckend Daten deutscher Bürger ausspähen. "Wäre das richtig gewesen, wäre dies ein Skandal gewesen." Doch das sei nicht der Fall gewesen - nur um die dem BND erlaubte Aufklärung von Auslandskommunikation sei es in Wahrheit gegangen.

Ein No-Spy-Abkommen mit den USA stellte Pofalla 2013 als greifbar dar - auch dabei will der heutige Generalbevollmächtigte der Bahn nach bestem Wissen informiert haben. Noch Ende 2013 habe es Verhandlungen zwischen den Deutschen und den Amerikanern darüber gegeben. "Verhandlungen sind wechselseitige Willenserklärungen mit dem Ziel einer Einigung." Pofalla zeigt sich selbstbewusst: "Ich weise auch den Vorwurf der Beschönigung, der Täuschung oder gar der Lüge zurück."

Die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst sei für Deutschlands Sicherheit unverzichtbar, mahnt der frühere CDU-Spitzenmann - und warnt, diese Kooperation durch detailreiche Medienberichte über die Nachrichtendienstwelt aufs Spiel zu setzen.

Will die NSA also doch nur Daten ausspähen, um Terroranschläge und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern? Keine 24 Stunden vor Pofallas Aussage machen Dokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks deutlich, wie systematisch die Spionage bei der deutschen Regierung war. Die NSA soll demnach auch weitere Anschlüsse Merkels ausspionieren können - und etwa eine Beratung zur Griechenlandkrise belauscht haben.

Egal ob im Finanz-, Wirtschafts- oder Agrarministerium - der US-Geheimdienst NSA soll reihenweise die Telefone von deutschen Spitzenbeamten, Staatssekretären und Ministern belauscht haben, die für alle möglichen internationalen Verhandlungen zuständig sind. 69 Nummern sollen auf der Spionageliste stehen. Der Grünen-Abgeordnete im NSA-Ausschuss, Hans-Christian Ströbele, spricht vom "großen Lauschangriff" auf die Regierung.