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Kommunalfinanzen: Neue Kommission mit altem Streit Löcher in den Straßen und in Gemeindekassen – und Dunkelheit am Wegesrand

08.03.2010, 06:37

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 07.03.2010 23:00:00
Von André Stahl

Die Finanznot der Kommunen bekommen dieser Tage nicht nur Autofahrer zu spüren. Nach einem langen und harten Winter tun sich massenweise Schlaglöcher in den Straßen auf, die nur notdürftig geflickt werden. Aber auch Theaterkarten werden teurer, Gebühren für Dienstleistungen angehoben und Schwimmbäder weniger geheizt. Manche Kommunen knipsen die Straßenbeleuchtung früher aus. Selbst kleinste Lohn- und Gehaltssteigerungen sind ein Problem.

Die Städte und Gemeinden ächzen unter wegbrechenden Einnahmen, steigenden Sozialausgaben und teuren Beschlüssen der Regierung im fernen Berlin. Nach Überschüssen sind sie tief in die roten Zahlen gerutscht. Das Minus ist zwar längst nicht so groß wie die Milliardenlöcher bei Bund und Ländern. Aber die Finanzmisere des Staates bekommen Bürger am ehesten in den Städten zu spüren. Der Unmut über höhere Kommunalabgaben kann mit Steuergeschenken kaum gemindert werden. Das ist auch der schwarz-gelben Koalition in Berlin bewusst. Eine neue "Gemeindefinanzkommission" von Bund, Ländern und Kommunen soll daher nach Auswegen suchen – und zwar schnell.

Es ist nicht der erste Anlauf für eine Reform. Auch die Gewerbesteuer – die wichtigste eigene Einnahmequelle der Städte und Gemeinden – steht nicht das erste Mal auf dem Prüfstand. Seit Jahren wird nach Alternativen gesucht. Bürgermeister und kommunale Verbände halten an der – je nach Konjunkturlage – stark schwankenden Steuer fest nach dem Motto: "Lieber eine schlechte Steuer als gar keine." Groß ist das Misstrauen gegenüber Bund und Ländern.

Groß sind aber auch die Finanznöte und Gewerbesteuer-Einbußen. In Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise brachen zuerst Firmengewinne weg, dann die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Die wird ohnehin nur von wenigen Unternehmen gezahlt. Viele Firmen können Erträge mit der Einkommensteuer verrechnen. 2009 mussten die Städte und Gemeinden der Flächenländer mit fast 18 Prozent weniger Gewerbesteuereinnahmen auskommen. Kein Wunder, dass sich Kommunalverbände nun nicht mehr völlig dagegen sperren, Alternativen zu prüfen.

Die Kommunalfinanzen basieren auf der Grundsteuer, dem Gemeindeanteil an der Einkommen- und der Umsatzsteuer sowie auf der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer – deren Höhe von Ort zu Ort variiert – ist auch wichtiger Teil der Firmenbelastung. Schon die schwarz-rote Vorgängerregierung hatte vereinbart, andere Modelle zu prüfen. Getan hat sich nicht viel – bis auf Korrekturen im Zuge der Reform der Unternehmensteuern, die teils aber wieder zurückgenommen wurden.

Es gab Vorstöße, die Kommunalsteuern auf mehr Säulen zu stellen und Städten und Gemeinden zu mehr Autonomie zu verhelfen: Eine vom Firmengewinn abhängige Gemeindeunternehmensteuer, eine Beteiligung an der Lohnsteuer sowie ein von den Kommunen selbst zu bestimmender Zuschlag auf die Einkommensteuer. In die Richtung ging 2006 das Vier-Säulen-Modell der Stiftung Marktwirtschaft.

Die "Wirtschaftsweisen" hatten dafür geworben, die Gewerbesteuer durch eine kommunale Zuschlagsteuer zu ersetzen. Die Bertelsmann-Stiftung wollte sie durch eine breiter angelegte kommunale Wirtschaftsteuer ablösen. Die jetzige Koalition aus Union und FDP will die Gewerbesteuer ohne finanzielle Einbußen für Städte und Gemeinden, aber auch nicht zulasten des Bundes ersetzen. Und zwar über einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz. Das wäre durchaus im Sinne vieler Unternehmen. Andere Wege sind machbar, die weiter eine enge Verbindung zwischen Wirtschaft und Kommunen ermöglichen und Städte und Gemeinden weniger abhängig von Konjunkturschwankungen machen.

Auch könnten es Bürger in der Hand haben, ihre Steuerlast über den Gemeinderat mitzubestimmen. Nicht nur der Nutzen von Steuern für das Gemeinwohl würde deutlich, auch Steuerverschwendung würde entgegengewirkt. In der neuen Kommission soll es keine Denkverbote geben. (dpa)