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Bundesakademie für Sicherheitspolitik widmet sich in einer Podiumsdiskussion dem Thema Kindersoldaten Für einen Spielplatz ohne Waffen

26.05.2011, 04:34

Von Tina Heinz

Ausgebrannte Autos, ein funktionsuntüchtiger Panzer und Müll bestimmen das Bild auf einem sonst kargen Platz, der von verlassenen Betonbauten und einer Wellblech-Mauer umzingelt ist. Kein idealer Ort für Kinder. Aber für Ana und ihre drei Freunde gut genug, um dort Fußball zu spielen. Plötzlich fallen in der Nähe Schüsse und die vier gehen in einem der ausgebrannten Autos in Deckung.

Kaum ist die Gefahr vorüber, widmen sie sich wieder dem Spiel. Als Ana den Ball über eine hohe Mauer befördert, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich in das Niemandsland auf der anderen Seite zu begeben. Es beginnt ein Katz- und Maus-Spiel mit einem Scharfschützen – bis Ana einen kurzen Blickkontakt mit dem nur ein paar Jahre älteren Feind erzwingt und ihm salutierend Respekt zollt.

Eric Howell widmet sich in seinem mit vielen Preisen ausgezeichneten Kurzfilm "Ana‘s playground" (Anas Spielplatz) dem Thema Kindersoldaten und konzentriert sich dabei auf den Augenblick, in dem ein Kind gezwungen ist, zwischen Ideologie und Menschlichkeit zu wählen.

Der Film stand mit einer Diskussionsrunde im Mittelpunkt der Veranstaltung "Kindersoldaten – Täter oder Opfer?" der Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin. Neben Regisseur Howell beteiligten sich die Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen (UN) für "Kinder und bewaffneten Konflikten", Radhika Coomaraswami, sowie der ehemalige Kindersoldat John Kon Kelei an der Podiumsdiskussion.

Kelei, Mitbegründer des Netzwerks "Young people affected by war", war vier Jahre alt, als Mitglieder der Sudan People‘s Liberation Army (SPLA) ihn von seinen Eltern trennten, um ihn in einem Militärlager auszubilden. "20000 Kinder haben sie während des Bürgerkriegs im Südsudan rekrutiert", erklärt der 28-Jährige. Man habe ihnen schulische Bildung versprochen, "stattdessen wurden wir in Äthiopien zu Soldaten ausgebildet."

John Kon Kelei wurde wie den anderen Kindern militärische Disziplin gedrillt. "Uns wurde beigebracht, wie man andere Menschen hasst und wie man Städte angreift." Für den Einsatz an der Front war Kelei damals zu klein und zu jung. Deshalb musste er im Lager bleiben, dort kochen und Wache halten.

Im Alter von zehn Jahren gelang Kelei die Flucht aus dem Lager in Äthiopien. Er begab sich auf die Suche nach seinen Eltern, konnte sie jedoch nicht finden. So beschloss er, in der sudanesischen Hauptstadt Khartum zu arbeiten, um die Schule finanzieren zu können. "Die Reintegration war für mich sehr schwer. Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutet, respektvoll und nicht brutal zu sein."

John Kon Kelei hat schreckliche Erfahrungen gesammelt. Grund genug für ihn, auf die Situation der Kindersoldaten aufmerksam zu machen. "Das wichtigste ist, Kindern und Jugendlichen Chancen zu bieten. Wenn es für sie keine Alternativen gibt, gehen sie zurück zum Militär", meint Kelei, der in den Niederlanden ein Studium des internationalen und europäischen Rechts abgeschlossen hat.

Auch Radhika Coomaraswamy hält die Reintegration von Kindersoldaten in ein "normales" Leben für das Wichtigste. Die in Sri Lanka geborene UN-Sonderbeauftragte wurde 2006 vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan ernannt. "Es ist ein langsamer Prozess und manchmal sind Organisationen, die uns bei diesem Anliegen unterstützen, etwas ungeduldig", erklärt die 58-Jährige.

"Und auch die finanziellen Mittel reichen nicht aus, um jedes Kind dauerhaft zu betreuen, um die schulische Ausbildung zu gewährleisten oder die Integration in die Familie zu begleiten." Von internationaler Seite erwartet Coomaraswamy diplomatischen Druck auf die Gruppen oder Regierungen, die Kinder rekrutieren. Ein Waffenembargo sei ebenso hilfreich.

Was keiner vermutet: "Auch in Libyen wurden seit Beginn der Aufstände schon viele Kinder rekrutiert – nicht nur von Gaddafis Truppen, sondern auch von den Rebellen." Die UN-Sonderbeauftragte hofft nun auf die französischen und britischen Militärausbilder. Sie sollen nicht nur die Rebellen unterstützen, sondern auch betroffenen Kindern helfen.

Lobende Worte findet Radhika Coomaraswamy unterdessen für Deutschland. Anfang des Jahres hat Deutschland den Vorsitz der Arbeitsgruppe "Kinder und bewaffnete Konflikte" im UN-Sicherheitsrat übernommen. "Es wurde schon viel erreicht und wir erfahren von der deutschen Regierung immer sehr viel Unterstützung", so Coomaraswamy.

Eine wichtige Aufgabe der Arbeitsgruppe ist die namentliche Auflistung aller Konfliktparteien, die Kindersoldaten rekrutieren oder Minderjährige töten, verstümmeln oder sexuell missbrauchen. Nach Angaben von "Kinder und bewaffnete Konflikte" gibt es weltweit etwa 22 Konflikte, von denen mehr als eine Milliarde Kinder betroffen sind. Es wurden schätzungsweise 250000 Kindersoldaten rekrutiert, unter anderem in Afghanistan, Indien, Somalia, Thailand, Uganda, Liberia, Pakistan und im Irak.