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Führungswechsel bei Frankreichs Front National, aber der Name Le Pen bleibt Auf den alten Provokateur folgt seine rechtsextreme Tochter

15.01.2011, 04:24

Von Ulrike Koltermann

Frankreichs rechtsextremer Haudegen gibt sein Amt auf: Jean-Marie Le Pen verabschiedet sich mit 82 Jahren vom Parteivorsitz. Mit seiner Lust an der Provokation hat er jahrzehntelang die Politik seines Landes beeinflusst. Ganz und gar abtreten will er aber nicht.

Vier bis fünf Ausrutscher habe er sich geleistet, meinte Jean-Marie Le Pen auf seiner letzten Pressekonferenz als Chef der rechtsextremen Partei Front National. "In mehr als 50 Jahren Politikerleben ist das ja nicht viel", fügte er grinsend hinzu. Ausrutscher klingt harmlos. Mehr als zwei Dutzend Mal ist Le Pen verurteilt worden, unter anderem dafür, dass er die Gaskammern der Nazis mehrfach als ein "Detail der Geschichte" bezeichnete.

Der höchst umstrittene 82-Jährige gehört zum Urgestein der französischen Politik. Morgen gibt er auf einem Parteitag den Parteivorsitz ab, aller Voraussicht nach an seine Tochter Marine. Aber er hat schon wissen lassen, dass er sich auch künftig als Störenfried in die Politik einmischen wird. Seine Lust an der Provokation hat die Karriere des gebürtigen Bretonen geprägt. Im Bretonischen heißt "penn" Kopf – und dickköpfig ist er allemal.

Le Pen kam vom Militär zur Politik. Als Fremdenlegionär kämpfte er in Indochina und Algerien. Er bekannte sich zunächst offen dazu, in Algerien auch Gefangene gefoltert zu haben, sprach später aber nur noch von "nötigen Druckmitteln". Zwischenzeitlich verdiente er sein Geld mit Schallplatten mit Militärmusik und historischen Reden. Eine Aufnahme mit Liedern aus der Nazizeit brachte ihm eine Verurteilung wegen der Recht- fertigung von Kriegsverbrechen ein. Auf dem Cover war zu lesen, dass Hitlers Aufstieg in einer demokratischen Massenbewegung wurzelte.

Mit 27 zog Le Pen für eine rechtspopulistische Partei als damals jüngster Abgeordneter ins französische Parlament ein. Anfang der 70er Jahre gründete er die eigene Partei, Front National, an deren Spitze er sich fast vier Jahrzehnte hielt.

Hartnäckig trat er immer wieder als Präsidentschaftskandidat an. Beim ersten Mal Anfang der 70er Jahre kam er nicht einmal auf ein Prozent der Stimmen, aber 2002 gelang ihm der Überraschungserfolg: Mit knapp 17 Prozent der Stimmen lag er an zweiter Stelle vor dem Sozialisten Lionel Jospin und trat in der Stichwahl gegen Jacques Chirac an. Damals ging ein Schock durchs Land: Viele Franzosen schämten sich, dass ein Rechtsextremer es so weit bringen konnte. Selbst eingefleischte Linke stimmten für Chirac, um Le Pen auszubremsen.

"Was soll ich denn machen, um nicht als Rassist zu gelten? Eine Schwarze heiraten? Am besten noch mit Aids?" – Mit derartigen Sprüchen ist Le Pen immer wieder in die Schlagzeilen und vor Gericht geraten. Seine markigen Warnungen vor einer massiven muslimischen Einwanderung treffen den Nerv verunsicherter Franzosen auf der Suche nach Sündenböcken.

Präsident Nicolas Sarkozy sieht in dem Front National einen ernstzunehmenden Gegner und bemüht sich nach Kräften, ihm durch eine scharfe Einwanderungs- und Sicherheitspolitik Stimmen abzujagen. Le Pen fühlt sich dadurch nur bestätigt. "Im Zweifel stimmen die Franzosen ohnehin lieber für das Original als für die Kopie", lautet sein Argument.

Lange hat sich Le Pen geweigert, die Zügel aus der Hand zu geben. Erst im vergangenen Jahr kündigte er an, weder für den Parteivorsitz noch für die Präsidentschaft zu kandidieren. Die Weichen hat er längst gestellt, indem er sich eindeutig für seine Tochter Marine als seine Nachfolgerin ausgesprochen hat. Die Wahl, in der sie gegen Le Pens langjährigen Weggefährten Bruno Gollnisch antritt, gilt als Formsache.

An die Stelle des alten Haudegens mit Hornbrille und nach hinten gekämmten Haaren wird dann voraussichtlich eine gut aussehende, vor Selbstbewusstsein strotzende Frau Anfang 40 treten. Die zweifach geschiedene Mutter dreier Kinder bemüht sich seit einiger Zeit, der Partei ein moderneres Image zu verpassen. Inhaltlich unterscheide sich ihre Politik allerdings kaum von der ihres Vaters, betonten beide. Sie sei auch gerne bereit, dem künftigen Ehrenpräsidenten einen gewissen Einfluss einzuräumen, sagt sie: "Ich wäre ja blöd, wenn ich seinen Rat nicht annehmen würde.(dpa)