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Ungarischer Diplomat referiert über Ziele seines Landes Botschafter: Dem kleinen Mann nicht noch mehr wegnehmen

09.02.2011, 04:29

Von Tina Heinz

Hallorenkugeln – was sonst? – bekommt der Diplomat József Czukor in Halle beim Neujahrsempfang der ungarischen Botschaft von Landtagspräsident Dieter Steinecke (CDU) überreicht. Steinecke, der auch Präsident der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt ist, eröffnet die Veranstaltung. Mit einem gewissen Pathos erinnert er an die Umbrüche vor mehr als 20 Jahren und dankt dafür, "was die Ungarn für uns geleistet haben".

Der Botschafter geht nur kurz auf das Thema friedliche Revolution ein und widmet sich in seinem Vortrag der Gegenwart. Eine Gegenwart, die dem Land, das József Czukor repräsentiert, einige negative Schlagzeilen eingebracht hat. Nicht zuletzt aufgrund des umstrittenen ungarischen Mediengesetzes.

Dass er dieses Thema nicht meiden kann, weiß Czukor. Gleich zu Beginn der Veranstaltung in den opulent hergerichteten Räumlichkeiten der Industrie- und Handelskammer Halle-Desssau möchte er die Wogen glätten, die der ungarische Regierungschef Viktor Orbán mit der Verabschiedung des Mediengesetzes aufgewühlt hat. "Wir haben Verständnis dafür, dass viele Menschen im Ausland und auch in Ungarn empört sind. Aber wir haben nicht vor, die Pressefreiheit in Ungarn abzuschaffen", versichert József Czukor. Die Kritiker hätten übereilt reagiert und das Land in die Nähe eines Führerstaats gerückt, ohne dass eine Übersetzung des Gesetzestextes vorgelegen habe.

Die Hoffnung, dass sein Land während der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft viel erreicht und somit die negativen Schlagzeilen vergessen macht, lässt den Botschafter stolz die Ziele Ungarns vortragen. "Oberste Priorität hat momentan die Stabilität der Eurozone."

Daneben konzentriert sich die ungarische Regierung auf die Themenkreise Stärkung Europas, bürgernahe Europäische Union, Erweiterung der EU und Nachbarschaftspolitik. Hinzu kommen wirtschaftliches Wachstum und Bekämpfung der Armut.

"Seit dem Systemwechsel hat die Armut in Ungarn um 100 Prozent zugenommen", sagt Botschafter Czukor. "Die Lohnentwicklung im öffentlichen Sektor ist auf Hartz-IV-Niveau angekommen. Das Durchschnittsgehalt in Ungarn liegt bei 600 Euro pro Monat."

Um dieser negativen Tendenz Einhalt zu gebieten, hat die ungarische Regierung diverse Maßnahmen veranlasst. Eine davon ist die ebenfalls umstrittene Krisensteuer. Sie soll ein Drittel des 1,8 Milliarden großen Budgetlochs stopfen.

"Um den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und um den einfachen Bürgern nicht noch mehr wegzunehmen, haben wir diese Sondersteuer eingeführt", erklärt Czukor.

Zur Kasse gebeten werden Energie-, Telekom- und Handelsunternehmen. 90 Prozent davon lastet auf der Schulter ausländischer Konzerne. Dass einheimische Firmen glimpflich davonkommen, dafür sorgt eine Umsatzgrenze, ab der die Steuer zu zahlen ist.

Bei ausländischen Investoren hat die Krisensteuer für einen Aufschrei gesorgt – vor allem, weil diese Sondersteuer erst Ende des vergangenen Jahres beschlossen wurde, aber rückwirkend für 2010 gilt.

József Czukor ist dennoch zuversichtlich, dass sich Ungarn auf dem richtigen Weg befindet. "Wir werden uns in den Streitpunkten mit der EU-Kommission einigen und zeigen, dass wir von dem demokratischen Pfad nicht abrücken", erklärt der Botschafter.