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Bundesparteitag der Linken "Macht’s gut, macht’s besser": Lafontaines Abschied in Rostock

Von Michael Fischer und Georg Ismar 17.05.2010, 05:20

Mehr als sechs Jahre war Oskar Lafontaine Parteivorsitzender – in den 90er Jahren als Sozialdemokrat und ab 2007 bei der Linken. Auf dem Linke-Parteitag in Rostock trennte er sich wohl endgültig von der Spitzenfunktion. In der Stadthalle der Hansestadt trat er am Sonnabend letztmalig als Chef ans Rednerpult. Eine Abschiedsrede wurde daraus aber nicht. Lafontaine will weiter in der Bundespolitik mitmischen, seinen Nachfolgern aber trotzdem nicht ins Handwerk pfuschen: "Macht’s gut. Macht’s besser", gab er ihnen mit auf den Weg.

Neue Lust nach Wahl

Lafontaine hatte Ende Januar nach einer Krebsoperation seinen Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt. Die Laudatio auf den scheidenden Vorsitzenden hält in Rostock Fraktionschef Gregor Gysi kurz vor der Wahl der Nachfolger. "Oskar Lafontaine ist ein Ausnahmepolitiker", sagt Gysi und versucht das mit einer Reihe von Beispielen zu belegen. So sei Lafontaine als Bundesfinanzminister Ende der 90er Jahre für Pläne zur Finanzmarktregulierung von britischen Medien als "Gefährlichster Mann Europas" gebrandmarkt worden. Heute schreibe selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei dem Saarländer ab. "Er hatte in allen Punkten recht", sagt Gysi.

Nach dem Erfolg bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen scheint Lafontaine noch mehr Lust an der Politik bekommen zu haben. Den Delegierten in Rostock bietet er in seiner Rede noch einmal ein "Best of Lafontaine" – programmatisch und rhetorisch – und breitet sein politisches Erbe aus. Der 66-Jährige ballt die Faust, schlägt die Hände zusammen, erhebt den Zeigefinger, beugt sich über das Pult, als wenn er seinen "Genossinnen und Genossen" sagen wollte: "Ihr könnt weiter auf mich zählen."

Er wettert gegen Hartz IV und die "Marionetten" der Finanzmärkte in der Regierung, fordert eine "würdige" Rente und Volksentscheide auf Bundesebene. "Wir wollen in der Tradition von Luxemburg und Liebknecht den Generalstreik, den politischen Streik", sagt er, und löst damit tosenden Beifall bei den Delegierten aus. "Wir müssen die Käuflichkeit der Politik beenden." Das ist auch nicht neu, aber es kommt an, das weiß Lafontaine. Unter dem Johlen der Delegierten fordert der Gründungsvater der Partei Trikotwerbung für Mövenpick und Deutsche Bank bei den Konkurrenten auf dem politischen Parkett.

Lafontaines Bilanz kann sich sehen lassen. Die Linke ist drei Jahre nach ihrer Gründung in 13 Landtagen vertreten. Die Partei hat 344 Abgeordnete in Landesparlamente, den Bundestag und in das Europäische Parlament entsandt. Mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen ist sie auch in Westdeutschland fest etabliert und die Mitgliederzahl wächst – sie liegt bei knapp 80000.

"Wir sind die erfolgreichste Gründung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Kriege", resümiert Lafontaine seine Zeit als Vorsitzender. Und weil das so ist, müsse der von ihm und seinem Co-Vorsitzenden Lothar Bisky eingeleitete Kurs auch fortgesetzt werden, schlussfolgert er. "Eine erfolgreiche Strategie wechselt man niemals aus."

Am Ende gerät die Rede erwartungsgemäß deutlich länger als die vom Parteitagspräsidium vorgegebenen 30 Minuten. Fast drei Minuten lang applaudieren die Delegierten im Stehen. Einzelne rufen "Zugabe". Und einer fordert Lafontaine sogar lautstark auf, zu bleiben. "Weiter so mit Oskar", ruft er in den Applaus hinein.

Innerparteilich hatte Lafontaine auch eine bedeutsame Brückenfunktion inne: Er war stets bemüht, die Flügel zusammenzuhalten, etwa Ost- und Westflügel oder die gemäßigten und die radikalen Kapitalismuskritiker. Nicht zufällig rief Linke-Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi seine Partei eindringlich dazu auf, die innerparteilichen Ost-West-Konflikte beizulegen. "Die neue Linke kann nicht mehr die PDS und nicht mehr die WASG sein. Wir müssen etwas Neues sein wollen", mahnte Gysi in seiner Parteitagsrede.

Apell an Zusammenhalt

Die Linke befinde sich noch im Vereinigungsprozess, und es gebe Unterschiede. Im Osten sei die Linke Volkspartei und im Westen Interessenpartei. Das ziehe unterschiedliches politisches Agieren nach sich. Man dürfe daher nicht der anderen Seite vorwerfen, alles falsch zu machen, sondern müsse einander zuhören und voneinander lernen.(dpa/ddp)