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Ein Sportdress wird zum Politikum Sportfreund Mehlmann und die Griechen-Krise

Von Steffen Honig 20.05.2010, 07:16

Wenn mein Sportfreund Mehlmann auf dem Fahrrad oder beim Badminton aktiv ist, dann gern in einem blauen Baumwoll-Basketball-Trikot. Das ist bequem und atmungsaktiv. Mehlmann hat es – wahrscheinlich für ein paar Drachmen zu viel – vor Jahren auf Kreta erworben. Deswegen steht auch "Hellas", übersetzt Griechenland, drauf.

Mehlmann hat mit dem Dress gute, nein sogar allerbeste Zeiten erlebt. Auf die Schulter haben sie ihm gehauen – damals, als die Hellenen unter ihrem deutschen Trainer Otto Rehhagel, fortan "Rehakles" genannt, Fußball-Europameister wurden! Mehlmann ist förmlich im Ouzo ertrunken.

Heute fühlt sich mein Sportfreund wie ein preußischer Rekrut beim Spießrutenlauf, sobald er sein geliebtes griechisches Trikot überstreift. Herablassende Blicke sind ja noch erträglich, die gehässigen Bemerkungen schon weniger. Willst wohl sammeln?, wird er dann angemacht. Oder übler: Schämst du dich nicht, ausgerechnet für diese Schmarotzer Reklame zu laufen?

So ist Mehlmann zum Krisen-Opfer geworden, ohne auch nur um einen einzigen Steuer-Cent erleichtert worden zu sein. Der Niedergang der Griechen droht zum moralischen Niedergang für einen harmlosen Breitensportler im angeblich provokanten Dress zu werden.

Mehlmann wundert sich. Gab es da nicht die alten Griechen, die schon philosophiert und experimentiert haben, als unsere germanischen Vorfahren noch fellbehangen durchs mitteldeutsche Unterholz gekrochen sind? Sollen aus diesen Vorreitern der europäischen Kultur auschließlich Faulenzer hervorgegangen sein, die in der Sonne liegend auf unsere Euros warten oder ihre eigene Obrigkeit mit Steinen bewerfen?

Sportfreund Mehlmann ist da anderer Meinung – mit oder ohne Hellas-Trikot. Er hat vielmehr den Verdacht, dass die Kulturentwicklung mancher Landsleute auf einer bestimmten Entwicklungsstufe stehengeblieben ist. Weit unter dem Stand der alten Griechen.