1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Mit Frauen an der Spitze weniger Pleiten

5. InterUnternehmerinnenKonferenz in Magdeburg: Mit Frauen an der Spitze weniger Pleiten

Von Bettina Koch 22.04.2010, 05:16

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: Normal IssueDate: 21.04.2010 22:00:00


Wäre Lehman Brothers Lehman Sisters gewesen, hätte es die globale Finanz- und Wirtschaftskrise wohl nie gegeben. Diese gewagte These stellte die Präsidentin der IHK Halle-Dessau, Carola Schaar, auf: vor hunderten Zuhörern auf der 5. InterUnternehmerinnenKonferenz im Magdeburger Gesellschaftshaus. Denn Frauen gehen anders an Unternehmensführung heran, so die Begründung.

Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) bestätigte: Die weitaus meisten Insolvenzen hätten Männer zu verantworten. Frauen legten ein anderes Risikoverhalten an den Tag. Ein höherer Frauenanteil in Spitzenpositionen könnte demnach die Zahl der Firmenpleiten erheblich drücken.

Insgesamt stehen die östlichen Bundesländer mit ihren Frauenanteilen unter Führungskräften nicht so schlecht da, Sachsen-Anhalt nimmt mit 27,8 Prozent immerhin den dritten Platz ein, der Bundesdurchschnitt liegt bei 16,1 Prozent. Ein Grund, sich zurückzulehnen, sei die Zahl aber nicht, räumte Haseloff ein. Mit Initiativen zur Gründungs- und Karriereförderung wolle das Land darauf hinwirken, auch die Chancen für Frauen zu verbessern.

SPD-Landeschefin Katrin Budde monierte allerdings die starke männliche Dominanz in der Landesregierung und damit einen Mangel an Vorbildwirkung. Es gebe nur eine Ministerin – Angela Kolb, Justiz. Haseloff habe im Wirtschaftsministerium keine Staatssekretärin, kritisierte Budde, der Minister wiederum verwies auf die weibliche Führung seines Büros und der Pressestelle.

Immerhin ist im öffentlichen Sektor der Frauenanteil in Führungsetagen mit 44,1 Prozent höher als irgendwo anders. Mit Förderprogrammen bemüht sich das Land, die gleichberechtigte Teilhabe an Macht- und Führungspositionen weiter voranzubringen: Bei den im ego.-Piloten-Netzwerk begleiteten Gründungen liegt der Frauenanteil bei 42 Prozent, 90 Prozent davon sind erfolgreich am Markt, wie die Dekanin der Fakultät Wirtschaftswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Birgitta Wolff, feststellte. Beim akademischen Netzwerk Impuls liege der Frauenanteil bei 36 Prozent, davon seien alle am Markt. Insgesamt wird jedes dritte neue Unternehmen in Sachsen-Anhalt von einer Frau gegründet.

Wo es ganz schwer hapert in Deutschland, das ist das Top-Management: Unter den Vorständen der 80 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands finde sich nur eine Frau: Barbara Kux im Technologiekonzern Siemens, berichtete die Professorin. Unter den 200 Spitzenunternehmen habe nur eines eine Vorstandsvorsitzende, und zwar Ikea Deutschland (Rang 198), Petra Hesser heißt die Chefin.

Woran es liegt, dass Frau oft in der zweiten und dritten Reihe steht, obwohl Mädchen in der Schule im Durchschnitt die besseren Noten haben und junge Frauen erfolgreicher studieren, hat viele Gründe. Zum einen müssen sie auf der Karriereleiter häufig an Männern vorbei, denen Frauen in Machtpositionen suspekt sind, zum anderen stehen sie sich oft selbst im Weg, weil sie sich zu wenig zutrauen, wie Monika Schulz-Strelow, Präsidentin des Vereins FidAR Frauen in die Aufsichtsräte, erklärte.

Chefinnen-Verhinderer teilte sie in drei Kategorien ein: Erstens die Erzkonservativen, die sagen, Frauen haben hier nichts verloren. "Diese Kategorie stirbt glücklicherweise aus." Zweitens die Aufgeklärten, die Frauen zwar wunderbar finden, in ihrem Umfeld aber nur solche dulden, die männliche Verhaltensmuster nicht kopieren, und drittens die Individuellen, bei denen Qualität angeblich an erster Stelle steht und die gerade deshalb keine Quotenfrauen wollen. "Diese Muster müssen wir durchbrechen", mahnte Schulz-Strelow. Die Vereinspräsidentin sieht Anteilsregelungen nicht als Makel. "Wir brauchen die Quote nicht, um glücklich zu werden", sagte sie, "wir brauchen sie für Frauen, die den Machtanspruch auch leben wollen, die sich mit ihren Fähigkeiten und trotz ihrer Zweifel und Bedenken oben sehen."

"Ich tue mich mit der Quote schwer", gab Klemens Gutmann, Mitgründer und Geschäftsführer des Unternehmens regiocom mit 2200 Mitarbeitern und Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, zu. Denn es gibt nicht "die Wirtschaft". In seinem IT-lastigen Unternehmen arbeiteten viele hochqualifizierte Frauen. Ihre Kompetenz zu nutzen, liege im Interesse der Firma. Von den sieben Führungskräften seien vier Frauen – ganz ohne Quote. In einem Maschinenbauunternehmen beispielsweise würde das aber ganz anders aussehen. Es gebe einfach zu wenige Maschinenbauerinnen, da sei eine Quote nicht hilfreich, so Gutmann.

Und während Katrin Budde die Festlegung eines Mindestanteils, zu dem jedes Geschlecht bei der Postenverteilung berücksichtigt werden muss, aufgrund positiver Erfahrungen in der SPD befürwortete, zeigte sich Reiner Haseloff eher skeptisch: Als Quotenfrau könnte sich manche weibliche Führungskraft als zweitklassig empfinden, es könne so aufgefasst werden, als habe sie es nicht aus eigener Kraft geschafft. Das wollten viele Frauen aber nicht auf sich sitzen lassen, so Haseloff.

"Das Leben belohnt nicht über Noten"

Germanistik-Professorin und Beraterin für Wirtschaft und Politik, Gertrud Höhler, fordert von Frauen, mehr zu wagen. Sie habe es schon so oft erlebt: Werde einem Mann ein guter Posten angeboten, sage er kurzerhand zu, "dabei hat er noch keine Ahnung, ob er das kann, was da von ihm erwartet wird, aber er macht es eben und lernt es dann meist auch", so die Professorin. "Eine Frau fragt erst mal zaghaft, meinen Sie, dass ich das kann?" Frauen würden dazu neigen, sich sehr viel abzuverlangen, aber oft sehe das keiner.

Und sie machten einen weiteren Fehler. "Sie streben nach guten Noten. Aber das Leben belohnt nicht über Noten. Wer vorankommt, das ist nicht derjenige, der die Lehrer begeistern konnte, sondern derjenige, der schon in der Schule seine Mitschüler begeistert hat." Außerdem müssten es sich Frauen abgewöhnen, sich ständig zu entschuldigen, und sie müssten lernen, dumme Fragen abzuschmettern und sich auf dem Stand des eigenen Könnens bemerkbar machen.

Höhlers Fazit: Es fehle Frauen nicht an Führungsqualitäten, sondern an Aufstiegsqualitäten, sprich, sie müssten lernen, sich durchzusetzen. "Wir haben die am besten qualifizierte Frauengeneration aller Zeiten", bemerkte dazu Iris Kronenbitter von der bundesweiten gründerinnenagentur (bga).

Aber es gebe auch wieder mehr Frauen – in der jüngeren Generation – die sich dem Stress einer Führungsposition nicht aussetzen wollen, und solche, die lieber zu Hause bleiben, als sich ihr eigenes Einkommen zu verdienen, stellte Carola Schaar fest. Das sei ernüchternd. So habe sie Studentinnen sagen gehört, sie studierten vor allem, um ihren Wert auf dem Heiratsmarkt zu verbessern. Für Frauen, die jahrzehntelang für Gleichberechtigung gekämpft haben, wirken solche Ansichten wie eine Rolle rückwärts.

Schaar findet es wichtig, mehr Männer für pädagogische Berufe zu begeistern, um die Förderung von Jungen und Mädchen zu verändern. Außerdem sollten sich mehr Frauen auf mathematische und naturwissenschaftliche Richtungen einlassen, empfahl sie. Das verbessere Einkommens- und Aufstiegschancen – für die, die es wollen.

Als großes Karrierehindernis sehen Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie an, sagte Birgitta Wolff. In Führungspositionen seien Frauen deshalb oft erst anzutreffen, wenn die Zeit der Kinderbetreuung und -erziehung hinter ihnen liegt. Um Chancengleichheit zu schaffen, sei es deshalb notwendig, Rahmenbedingungen zu verbessern und diese Aufgabe besser auf die Schultern von Mutter und Vater zu verteilen. Mit der Möglichkeit für Väter, Erziehungszeit in Anspruch zu nehmen, sei ein richtiges politisches Signal gesetzt worden.

Auch die Wirtschaftswissenschaftlerin hat die Erfahrung gemacht, dass sich Mädchen und Frauen zu wenig zutrauen. "Jedes Jahr spreche ich auf der Einführungsveranstaltung für die neuen Studenten auch über die Promotionsmöglichkeiten. Wenn ich dann frage, wer sich vorstellen kann zu promovieren, gehen die Hände der jungen Männer hoch. Das ist ganz typisch." Auch sie habe anfangs nicht dieses Ziel für sich ausgemacht. "Aber ich hatte gute Mentoren", sagte Wolff. Mädels müssten eben ganz anders und viel stärker angesprochen werden. In ihrer Fakultät setze sie diese Erkenntnis um und bemühe sich, Frauen zu inspirieren und nachzuziehen, sagte die Dekanin.

Haseloff sieht die Förderung von Frauen auch als existenzielle Frage für Sachsen-Anhalts Wirtschaft. "Wir müssen darauf hinwirken, dass sich Abiturientinnen beruflich breiter aufstellen und dadurch ihre Karrierechancen erhöhen." Andererseits müsse in manchen Unternehmen die Erkenntnis noch reifen, dass die Motivation der Belegschaft durch soziale Kompetenz deutlich erhöht werden kann.