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Bürgerliches Lager bei Regionalwahlen für halbherzige Reformen abgestraft Präsident Sarkozy steckt in tiefer Vertrauenskrise

16.03.2010, 05:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 15.03.2010 23:00:00
Von Ansgar Haase

Knapp drei Jahre nach seinem Amtsantritt steckt der französische Präsident Nicolas Sarkozy in einer der tiefsten Krisen seiner politischen Karriere. Der triumphale Sieg der Linken in der der ersten Runde der Regionalwahlen macht ihm den Ernst der Lage drastisch deutlich. Zwischen den Wählern und dem bürgerlich-rechten Regierungslager gibt es eine tiefe Vertrauenskrise. Will der einst als "Speedy Sarko" gefeierte Staatschef eine zweite Amtszeit, muss er nun viel Überzeugungsarbeit leisten.

Die Voraussetzungen dafür sind jedoch schlecht. Die durch die Wirtschaftskrise gebeutelte Industrie baut trotz massiver Staatshilfen Tausende Stellen ab. Die mit etwa zehn Prozent erschreckend hohe Arbeitslosigkeit wird Schätzungen zufolge weiter steigen. Die geplante Erhöhung des Rentenalters lässt weitere soziale Spannungen erwarten. Andere Reformen wie etwa eine Klimasteuer lassen sich nur schwer umsetzen. Mit dieser wollte Sarkozy Frankreich das Image eines Öko-Musterstaats verpassen – stieß aber nicht zuletzt im eigenen Lager auf Widerstand.

Die Opposition, allen voran die Schwesterpartei der deutschen SPD, darf vor diesem Hintergrund auf einen belebenden Frühling hoffen. Sozialisten-Chefin Martine Aubry wertete das Wahlergebnis als eine deutliche Strafe für die "ungerechte Politik" der Regierung. Manche Medien in Frankreich sehen in der 59-Jährigen bereits eine linke Angela Merkel. Ein Berater Aubrys soll ihr empfohlen haben, sich ein Beispiel am Auftreten an der Bundeskanzlerin zu nehmen. Zäh hatte die bodenständige Politikerin zuletzt Grabenkämpfe innerhalb der PS überstanden.

Bis in den Élyséepalast ist der Weg allerdings noch weit. Bereits bei den letzten Regionalwahlen vor sechs Jahren hatten die Sozialisten haushoch gewonnen. Ihre Kandidatin Ségolène Royal war jedoch 2007 bei der Präsidentenwahl knapp an Sarkozy gescheitert. In der ersten Runde an diesem Sonntag blieb jeder zweite Wahlberechtigte zuhause.

Das Regierungslager leitet aus der hohen Nichtwählerquote deswegen selbstbewusst die Notwendigkeit der geplanten Gebietsreform ab. Niemand wisse, wer für was zuständig sei, lautet das Argument. Deswegen seien so viele Franzosen nicht wählen gegangen. Lediglich hinter vorgehaltener Hand sollen selbst Minister von einer "Ohrfeige auf nationaler Ebene" sprechen. Viele in seiner UMP-Partei nehmen Sarkozy (55) übel, dass er seinen Sohn Jean im vergangenen Herbst einen Spitzenposten in der Verwaltung verschaffen wollte.

Die französischen Grünen haben es in der ersten Runde der Regionalwahlen nicht geschafft, ihren sensationellen Erfolg der Europawahl fortzusetzen. Dennoch ist Europe Ecologie mit mehr als zwölf Prozent auf nationaler Ebene für die wiedererstarkten Sozialisten ein unverzichtbarer Partner. "Es wird eine rosa-grün-rote Welle", prophezeit der deutsch-französische Grünen-Aushängepolitiker Daniel Cohn-Bendit (64) in Anspielung auf die politische Farbenlehre in Frankreich. Dort sind die Sozialisten rosa und die Kommunisten rot.

Mit Schrecken blicken die demokratischen Parteien vor der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag nach rechts. Dort hat der bereits totgesagte rechtsextreme Jean-Marie Le Pen (81) mit anti-muslimischen Parolen und Fremdenhass zwölf Prozent geholt.(dpa)