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China und Sachsen-Anhalt wollen enger kooperieren Die rote Volksrepublik schwenkt auf grünere Wirtschaft um

Von Steffen Honig 12.03.2010, 06:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 11.03.2010 23:00:00


Exakt 30 Minuten sieht das Protokoll für das Gespräch von Chinas Deutschland-Botschafter Wu Hongbo mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer in der Magdeburger Staatskanzlei vor. Daraus wird eine Dreiviertelstunde, was für eine gedeihliche Atmosphäre spricht.

Dabei ist Böhmer kein Freund von Dialogen mit Dolmetschern im Hintergrund. Dies lässt sich in diesem Fall nicht vermeiden – der Botschafter residiert erst seit September 2009 in Berlin und ist im Deutschen noch nicht versiert. Doch hört es auch ein Ministerpräsident gern, wenn wie gestern sein Bundesland als bedeutend hervorgehoben wird.

Bekannte "Harzreise"

Das bezieht Botschafter Wu im anschließenden Volksstimme-Gespräch vor allem auf die Rolle Sachsen-Anhalts in der deutschen Geschichte. Er würdigt das Land als Hort der Reformation und hebt jene Musiker und Künstler hervor, die hier tätig waren und "wichtig die ganze Welt" seien. Insbesondere Heinrich Heine und dessen "Harzreise" haben es dem chinesischen Diplomaten angetan, der seit 1976 im Auswärtigen Dienst der Volksrepublik tätig ist.

Bei seinem Antrittsbesuch in Sachsen-Anhalt geht es dem Vertreter der Volksrepublik indes beileibe nicht nur um historische Höflichkeiten. Der 59-Jährige besucht das Bildungszentrum Inwent in Magdeburg und die Hochschule Magdeburg-Stendal, wo seit Jahren Chinesen aus- und weitergebildet werden. Ein Zeichen der engen Zusammenarbeit zwischen China und Sachsen-Anhalt im Bildungswesen.

Auf eine neue Richtung in der Kooperation weist eine weitere Station im Besuchsprogramm hin: das Müllheizkraftwerk im aufstrebenden Magdeburger Industriegebiet Rothensee. "Im technologischen Bereich liegt in sauberen Energien ein großes Potenzial", betont der Botschafter. China sei an "Nachhaltigkeit" des Wirtschaftens äußerst interessiert.

Im Kleinen wird hier deutlich, was auch den Nationalen Volkskongress in China bewegt, der dieser Tagen die Schwerpunkte der chinesischen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik für das kommende Jahr festklopft. Dazu gehört laut Botschafter Wu zuallererst der Kurs auf die "Umwandlung des Entwicklungsmodells" in der Volksrepublik.

Das klingt so gewaltig, wie es tatsächlich ist. "In der Vergangenheit haben wir nur das bekannte Modell der Industriestaaten umgesetzt", erläutert Wu Hongbo. "Jetzt muss unsere Wirtschaft auf einen grüneren Entwicklungsweg umschwenken."

Konsum gegen Krise

Vorerst hat China wie der Rest der Welt vor allem mit der Krisenbekämpfung zu tun. Wu: "Wir werden unsere Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise fortsetzen." Das soll, betont der Diplomat, damit einhergehen, "das Leben der Bevölkerung zu verbessern". Im Vordergrund stehe dabei die Erhöhung der Binnennachfrage.

Der Botschafter hebt hier auf ein spezifisch chinesisches Krisenmerkmal ab: Das Wachstum in der Volksrepublik war in den vergangenen Jahren vor allem auf die gigantische Exportquote zurückzuführen. Mittlerweile ist klar geworden, dass diese alleinige Ausrichtung zu ökonomischen Schieflagen führt, wenn der Absatz nachlässt. Daher sollen künftig Chinesen mehr chinesische Produkte kaufen.

Bei erwähntem Umstrukturierungsbedarf in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft nennt Chinas Vertreter in Berlin Stahlindustrie, Schiffbau, Textilindustrie und Automobilbau. Für Nachfragen, wie das funktionieren soll, bleibt keine Zeit. Botschafter Wu eilt zum nächsten Termin…