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Der Sachsen-Anhalter Dirk Kuke arbeitet für die Bundeswehr im Jemen Helfer in einem schönen, aber geschundenen Land

Von Georg Kern 20.03.2010, 05:16

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 19.03.2010 23:00:00


Diese Geschichte handelt von einem Sachsen-Anhalter mit einem gefährlichen Job.

Dirk Kuke kommt aus Biederitz bei Magdeburg. Am Mittwochabend steht er in einem Saal des Sozialministeriums in der Landeshauptstadt und hält einen Vortrag über seine berufliche Tätigkeit. Rund 50 Besucher sind gekommen – die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, die das öffentliche Bewusstsein für Sicherheitsthemen fördern will, hat Kuke eingeladen.

Der Biederitzer ist Oberstleutnant bei der Bundeswehr. Mit Kämpfen hat sein Job allerdings nichts tun. "Wir leisten keine Entwicklungszusammenarbeit", sagt Kuke zwar gleich mehrfach während des Vortrags über sich und sein Team. Seine Arbeit erinnert aber doch daran.

Kinder mit Kalaschnikow

Seit 2005 leitet Kuke ein insgesamt vierköpfiges Team im Jemen, das die Regierung in Sicherheitsfragen berät. Zehn solcher Gruppen der Bundeswehr gibt es weltweit, darunter in Afghanistan, Namibia und Äthiopien. Ihre Aufgaben sind höchst verschieden, man richte sich da stark nach den Bedürfnissen vor Ort, erläutert Kuke. Im Jemen, wo die Bundeswehr mit einem Beratungsteam seit 1971 präsent ist, habe sich die Gruppe schon bald auf das Sanieren von Militärkrankenhäusern spezialisiert.

Der Bedarf an besserer medizinischer Versorgung sei offensichtlich, sagt Kuke. Zwar seien die Krankenhäuser Militärs vorbehalten. Weil sie aber auch für deren Familien sorgen und der Familienbegriff im Jemen sehr weit gefasst werde, richte sich das Angebot letztlich an einen weiten Bevölkerungskreis.

Der Jemen zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Erst kürzlich ist er wieder stark in den Fokus des weltweiten Anti-Terror-Kampfes gerückt. Am zweiten Weihnachtsfeiertag versuchte ein Nigerianer, ein Passagierflugzeug beim Landeanflug auf die US-Stadt Detroit zu sprengen. Die Hintermänner sitzen vermutlich im Jemen.

Al Qaida hat sich vor allem in den mittleren Provinzen des Landes festgesetzt. Hinzu kommen Rebellenkämpfe im Norden – der Stamm der Hutis will eine Imamherrschaft wiedererrichten. Sezessionskräfte im Süden bringen die Zentralregierung in der Haupstadt Sanaa zusätzlich unter Druck. "Der Jemen ist zweifellos am Zerfallen", sagt Kuke, nachdem ein Zuhörer nach der politischen Lage gefragt hat. In weite Teile des Landes wage sich nicht einmal mehr die Regierung vor.

Was den Arbeitsalltag von Oberstleutnant Kuke und seinen drei Feldwebeln stark prägt. Man agiere vor allem im Großraum Sanaas bis hin zur Süd- und Westküste. Fahren die Militärs über Land, stoßen sie häufig auf willkürliche Straßenkontrollen. Im Jemen gebe es 22 Millionen Einwohner – und rund 60 Millionen Handfeuerwaffen. Im Alltag sei es völlig normal, dass Menschen "mit der Kalaschnikow herumlaufen". "Da muss man sich schon dran gewöhnen", sagt Kuke.

Während seines Vortrags zeigt er unter anderem Bilder von schwerverletzten Kindern, "die mit Waffen gespielt haben". Auch solche Fälle würden in den Krankenhäusern behandelt. Er spreche Englisch und habe Arabisch-Grundkenntnisse, so mühe sich sein Team, Krankenhäuser zu sanieren.

Dabei werden alte Gebäude neu hergerichtet, aber auch neue gebaut. Rund fünf Projekte hat das Team derzeit am Laufen. Es bedient sich dabei auch der Arbeitskraft der zahlreichen Hilfsarbeiter im Jemen. Medizinische Ausrüstung wie Röntgengeräte oder Dialyseapparate würden oft gebraucht eingekauft, jemenitisches Personal anschließend geschult. "Es fehlt an einfachster Hygiene und Know-how", sagt Kuke – und wirft Fotos völlig zerfallener Gebäude an die Wand, die im Jemen als Krankenhaus dienen.

Dabei hat die Beratergruppe mit einem engen Budget zu kämpfen. 2,2 Millionen Euro überweist das Auswärtige Amt alle vier Jahre für das Team an das Verteidigungsministerium. Einkommen und Mieten der Berater stammen aus einer separaten Kasse des Ministeriums. "Vor Ort helfen wir uns auch mit der Zusammenarbeit mit den großen Firmen, die im Land noch aktiv sind", erläutert Kuke. So sei es beispielsweise gelungen, gebrauchtes medizinisches Gerät günstig aus China zu kaufen.

Natürlich erinnere die Arbeit seines Teams an Entwicklungszusammenarbeit, räumt Kuke auf Nachfrage dann doch ein. Er selbst würde sich sogar sehr wünschen, dass Entwicklungsorganisationen viel mehr mit seinem Beraterteam zusammenarbeiten. Ein Problem dabei sei allerdings, dass die großen Organisationen das Land aus Sicherheitsgründen bereits verlassen hätten.

Hohe Sicherheitsstufe

Er und seine Mitarbeiter bewegten sich vorsichtig im Land, "die deutsche Botschaft in Sanaa hat eine hohe Sicherheitsstufe verhängt". Ausflüge in ländliche Gebiete seien nur noch bedingt möglich – die Militärs wohnen alle in der Hauptstadt nahe der deutschen Botschaft.

Der Jemen sei ein so schönes Land, "und 98 Prozent der Menschen sind ausgesucht höflich und gastfreundlich", sagt Kuke. Für Touristen gebe es eigentlich viel zu sehen wie die Altstadt Sanaas oder die Tempelanlagen von Marib. "Aber auch diese Einkommensquelle – eine der letzten – ist versiegt, auch auf Grund der florierenden Entführungsindustrie", erläutert Kuke.

Er sagt das trocken, dabei richtet er den Blick fest auf ein Foto von Säulen einer Tempelanlage bei Marib.

Sie ragen wie lange Finger in die heiße Luft über dem zerfallenden Land.