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Pläne am Rande des Volkskongresses vorgestellt / Arbeit an Raumstation soll 2011 beginnen China baut Weltraumpalast

Von Uwe Seidenfaden 23.03.2010, 06:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 22.03.2010 23:00:00


Die Koinzidenz war Zufall und zugleich bezeichnend für die aktuelle Situation der bemannte Raumfahrt. Während dieser Tage in Tokio die Chefs der Raumfahrtagenturen Russlands, der USA, Westeuropa und Japans über die ungewisse Zukunft der Internationalen Raumstation berieten, stellten chinesische Raumfahrtplaner am Rande des großen Volkskongresses ihre Pläne für den Bau einer eigenen Raumstation vor. Tiangong soll sie heißen, was so viel wie großer Palast bedeutet. Mit dessen Aufbau soll schon im kommenden Jahr begonnen werden, teilte die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf das politische Beratungskomitee für bemannte Raumflüge in Peking mit.

Mehr Platz als im Sojus-Raumschiff

Die Nachricht kam für Beobachter chinesischer Weltraumaktivitäten nicht überraschend. "Raumfahrt ist in China ein echter Dauerbrenner", so Brian Harvey, britischer Raumfahrtjournalist und Autor des Buches "Chinas Space Program" (Springer Verlag, 2004). Seit Beginn der 1970er Jahre verfolgt das fernöstliche Land zielstrebig seine Weltraumambitionen. Dazu gehören Satelliten für die Telekommunikation und Navigation, die Meteorologie und Rohstoffsuche ebenso wie für das Militär und die Weltraumforschung.

Vor elf Jahren startete die Volksrepublik ihren ersten Raumfahrer. Neben Russland und den USA gehört China zum exklusiven Klub der Weltraumnationen, die mit eigenen Raketen und Raumkapseln Menschen in das All und zurück zur Erde bringen können. Inzwischen befördert China jährlich ebenso viele Satelliten wie Russland oder die USA ins All. Bisheriger Höhepunkt des eigenständigen Weges ins All war vor drei Jahren der erste Weltraumspaziergang von zwei chinesischen Raumfahrern.

Äußerlich sind die chinesischen Shenzhou-Raumschiffe mit den russischen Sojus-Schiffen vergleichbar. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Konstrukteure geistige Anleihen am russischen Design nahmen. Größtenteils geschah das mit offizieller Unterstützung russischer Raumfahrtunternehmen, die sich den Transfer von know-how entlohnen ließen. Dennoch sind die Shenzhou-Raumschiffe viel mehr als nur eine Kopie von Sojus. Sie bieten etwa 13 Prozent mehr Platz und haben zusätzliche Solarzellen-Ausleger für eine längere autonome Energieversorgung. Außerdem kann der Aufenthaltsraum des dreiteiligen Shenzhou-Raumschiffs nach Abtrennung von der Landekapsel funktionstüchtig im All verbleiben. "Das macht die Shenzhou-Orbitaleinheiten zu einem Baustein einer künftigen Raumstation", so Dr. Zang Wei, Direktor für Internationale Beziehungen bei der chinesischen Raumfahrtagentur CNSA auf dem internationalen Raumfahrtkongress IAC im Oktober vergangenen Jahres. Deren Aufbau soll nun 2011 beginnen.

Auflagen führen zum Alleingang

Kernstück wird ein tonnenförmiger Wohnraum, der mit etwa sechs Metern Länge etwa so groß wie das europäische Raumstationslabor Columbus sein wird. Wenige Wochen oder Monate später soll das unbemannte Raumschiff Shenzhou 8 daran andocken und die Stationsgröße nahezu verdoppeln. Wenn alles glatt läuft, wird ein weiteres Shenzhou-Raumschiff mit zwei oder drei Raumfahrern an Bord folgen. Zahlreiche neue Kontrollstationen auf Schiffen, in Afrika (Namibia) und in Fernost werden dann Kontakt zu den chinesischen Raumfahrern halten.

Warum, so mag man sich fragen, macht die Volksrepublik China diesen Alleingang? Warum beteiligt sie sich nicht an der Internationalen Raumstation, deren Weiterbetrieb über das Jahr 2015 derzeit finanziell gefährdet ist? Nach den Bekundungen chinesischer Delegationen auf internationalen Raumfahrtkongressen würde deren Regierung durchaus gerne an der Internationalen Raumstation teilnehmen.

Der Gegenwind kommt indes aus den USA. Von China wird verlangt, am sogenannten Missile Technology Control Regime (MTCR) teilzunehmen. Das Programm sieht Handelskontrollen für zahlreiche technologische Handelsgüter vor. Neben der Überwachung der Verbreitung militärisch verwertbarer Güter geht es dabei wohl auch um Schutz von US-Wirtschaftsinteresse im internationalen Handel. Immerhin wurde chinesischen Forschern seitens des US-Außenwirtschaftsmisteriums inzwischen zugestanden, sich mit Wachstumsversuchen von Reispflanzen auf der ISS zu beteiligen.