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Hohes Risiko, aber gut fürs Ansehen der "Datenkrake" Google geht im Zensur-Streit auf Konfrontation mit Peking

25.03.2010, 10:57

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 23.03.2010 23:00:00


Von Renate Grimming

In einem riskanten Manöver geht der Suchmaschinen-Primus Google auf Konfrontationskurs mit Peking und provoziert die Empörung der Regierung. Nach der jüngsten Entscheidung des weltweit führenden Suchmaschinen-Betreibers, sich nicht mehr der Zensurpolitik im Land zu beugen, könnte auch für andere US-Unternehmen in dem lukrativen Markt ein raueres Klima aufziehen. Google selbst setzt seine Zukunft in dem schnell wachsenden Markt komplett aufs Spiel. Die demonstrative Haltung gegen Internet-Zensur und für Datenschutz hilft dem Unternehmen aber zugleich, sein Image in den westlichen Ländern gehörig aufzupolieren.

Angeblich wochenlange Verhandlungen mit der chinesischen Regierung hatten am Ende nicht zu einem erhofften Kompromiss geführt. Seit Dienstag weigert sich Google, seine Inhalte selbst nach Vorgabe der Behörden zu zensieren. Stattdessen leitet der Konzern sein Angebot unzensiert auf seine Server in der Sonderverwaltungszone Hongkong um und bietet von dort aus den Festlandchinesen einen für ihre Sprache zugeschnittenen Dienst

Mit diesem kleinen Trick muss Google seine Präsenz in der Region nicht völlig aufgeben, für die Nutzer in der Volksrepublik dürfte er aber keinen wirklichen Fluchtweg aus der Zensur bieten. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Google.com.hk am Ende genauso aggressiv wie Google.com geblockt wird, möglicherweise sogar noch aggressiver", sagte Ben Schachter, Analyst der Marktforschung Broadpoint AmTech in San Francisco, der Finanzagentur Bloomberg.

Die Entscheidung Googles hat die Regierung in Peking offen brüskiert. Die Behörden sehen darin eine Vertragsverletzung und die unnötige Politisierung des Konflikts. "Google spielt ein sehr gefährliches Spiel", kommentierte Rob Enderle, Chef-Analyst der Enderle Group in San Jose (Kalifornien), den Schritt. "Sie könnten damit am Ende mehr Schaden anrichten als Gutes tun."

China gilt mit seinen fast 400 Millionen Internet-Nutzern als El Dorado auch der Internet-Branche. Google hatte im Jahr 2000 erstmals eine chinesisch-sprachige Suchmaschine gestartet, sie in den ersten Jahren allerdings noch von Servern in den USA betrieben. Nach der Anwerbung von Kai-Fu Lee, einem ehemaligen Mircrosoft-Mitarbeiter und ausgewiesenen Kenner des chinesischen Marktes, startete Google 2006 erstmals eine Suchmaschine google.cn in China.

Für Google und sein vielzitiertes Firmen-Motto "Don‘t be evil" ("Tue nichts Böses") dürfte sich das damals neue Geschäft in China von Anfang an als moralischer Spagat erwiesen haben. Sich der staatlich verordneten Zensur zu beugen und Datenschutzverletzungen in Kauf zu nehmen, widerspricht dem Leitspruch des Unternehmens.

Die riskante und überraschend harte Haltung, die Google nun gegenüber der chinesischen Regierung an den Tag legt, könnte dem Unternehmen in den westlichen Ländern allerdings auch sehr zugute kommen. Vor allem in Europa kämpft das Unternehmen gegen das gewachsene Image einer "Datenkrake", die unersättlich Daten sammelt, es dabei aber an Transparenz fehlen lässt. Zuletzt hatte auch der neue Dienst StreetView, eine Erweiterung des Kartendienstes Google Maps, die Gemüter von Nutzern europaweit erregt und eine heftige politische Debatte um Datenschutz ausgelöst. Der Konflikt in China könnte Google nun zu einem besseren Image verhelfen.

Auch wenn Google sich den Zugang zu einem der wichtigsten Zukunftsmärkte verbaut: Selbst einen kompletten Rückzug dürfte der Konzern zumindest mittelfristig leicht verschmerzen. Denn bis heute hatte der weltweit führende und erfolgsverwöhnte Anbieter in China nur wenig Erfolg. Gerade einmal ein bis zwei Prozent macht das dortige Geschäft am Gesamtumsatz des Unternehmens aus, sagte Youssef Squali, Analyst bei Jefferies, dem "Wall Street Journal". Mit einem Marktanteil von rund 42 Prozent blieb Google nach Erhebungen der US-Marktforscher GlobalStats auch noch im März deutlich hinter dem führenden chinesischen Anbieter Baidu (56 Prozent) zurück. (dpa)