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Blitzbesuch des US-Präsidenten am Hindukusch Obamas Afghanistan-Strategie und die Macht des Hamid Karsai

Von Georg Kern 30.03.2010, 05:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 29.03.2010 22:00:00


Für US-Präsident Obama lief die vergangene Woche besonders gut. Erst boxte er seine Gesundheitsreform durch den Kongress, dann konnte er einen neuen Abrüstungsvertrag mit Russland ankündigen. Prompt nutzte Obama die Gelegenheit, nach Afghanistan zu reisen.

Auf innenpolitisches Oberwasser hat Obama lange warten müssen – und diese Situation wollte er optimal nutzen. Am Sonntagabend (MEZ) traf er sich bei seinem Blitzbesuch in Afghanistan, dessen Planung streng geheim gehalten worden war, auch mit seinem Amtskollegen Hamid Karsai. Obama wird den innenpolitischen Moment der Stärke genutzt haben, um kräftig Druck auf Karsai zu machen.

Drogen, Korruption

Es ist kein Geheimnis: Washington ist unzufrieden mit der Arbeit des afghanischen Präsidenten. Die politische Legitimität Karsais ist angeschlagen, seine Akzeptanz im Land schwindet. Für Obama ist das ein Problem, das sogar seine Wiederwahl 2012 gefährden könnte.

Im Wahlkampf hat Obama viel mit Blick auf Afghanistan versprochen. Die Stratgie in dem Konflikt hat er inzwischen erheblich umgebaut. Die USA legen jetzt mehr Wert auf die Kooperation mit den NATO-Partnern; die zivilen Komponenten, sprich Entwicklungszusammenarbeit und der Aufbau staatlicher Strukturen, werden stärker gefördert. Vor allem aber hat Obama die Intensivierung des Konflikts angekündigt.

Er hat im Dezember entschieden, die Zahl der US-Truppen um 30000 Soldaten auf 100000 aufzustocken. Der Schritt soll die anschließend geplante Afghanisierung des Konflikts vorbereiten: Ab Sommer 2012 wollen die USA mit dem Abzug aus dem Land beginnen – und heimische Sicherheitskräfte sollen mehr und mehr Verantwortung übernehmen. Damit könnte Obama pünktlich zur Präsidentschaftswahl punkten.

Die Strategie hat für das US-Staatsoberhaupt allerdings einen Preis. Es gibt für den Präsidenten kein Zurück mehr: Der Afghanistankonflikt ist nicht länger ein Erbe seines Vorgängers George W. Bush. Der Krieg ist auch zu Obamas Krieg geworden. Misserfolge werden auf seinem Konto verbucht werden.

Kein Wunder, dass die US-Regierung jetzt besonders um das bemüht ist, was im Diplomaten-Jargon "good governance" genannt wird, "gute Regierungsführung". Wollen die USA und ihre NATO-Verbündeten, die immerhin 40000 Soldaten in Afghanistan stellen, einigermaßen stabile staatliche Strukturen zurücklassen, die zudem nachhaltig sind, braucht die Regierung in Kabul wenigstens einigermaßen Legitimität.

Genau in dem Punkt ist den NATO-Staaten allerdings ein Problem erwachsen, das außer Kontrolle zu geraten droht. Die Präsidentschaft Karsais ist umstritten wie nie seit seinem Amtsantritt 2001. Das hat er zwar nicht allein zu verantworten. So hat der Westen zu lange auf militärische Lösungen gesetzt. Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan bleibt prekär, was Gewalt und Drogenhandel begünstigt.

Von "guter Regierungsführung" kann bei Karsai allerdings auch keine Rede sein. Dem Präsidenten wird vorgeworfen, den Drogenhandel mindestens nicht entschlossen zu bekämpfen – auch sein Halbbruder Ahmed Wali Karsai soll im Opiumhandel verwickelt sein. Vetternwirtschaft und Korruption werden Hamid Karsai außerdem angekreidet. Besonders schwer aber wiegt der Vorwurf, der Präsident habe seine Wiederwahl im vergangenen Jahr manipuliert.

Schon damals wackelte Karsais Präsidentenstuhl erheblich. Am Ende zeigte der Daumen der US-Regierung allerdings nach oben. Wohl auch, weil bis heute keine Alternative zu Karsai in Sicht ist.

Als Paschtune zählt er zur größten ethnischen Gruppe Afghanistans, seine familiären Verbindungen, aber auch seine Rolle in der Politik des Landes vor der US-Invasion 2001 sichern ihm Einfluss über verwandtschaftliche und ethnische Grenzen hinaus. Gut vernetzt ist Karsai auch international. Bei der Ausrufung der Islamischen Republik Afghanistan 2004 spielte er eine Hauptrolle.

Obamas Ahnung

Einen wie Karsai gibt es am Hindukusch sicher nur einmal. Für Obama wird der Präsident daher zunehmend zum politischen Problem. Offiziell heißt es über die Gespräche am Sonntag zwar nur, sie seien "sehr produktiv" gewesen. Tatsächlich wird sich Obama seinen afghanischen Amtskollegen aber kräftig zur Brust genommen haben. "Gute Regierungsführung" ist, worauf der US-Präsident gedrungen haben wird. Obama ahnt, wie sehr sein politisches Schicksal mittlerweile mit dem von Karsai verknüpft sein könnte.