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Für ukrainische Studenten ist Magdeburg ein Mekka der Ingenieurwissenschaft Von nutzlosen Bettelbriefen, internationalen Strategien und guten Chancen

03.02.2010, 05:03

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 02.02.2010 23:00:00
Von Felix Korsch

Bei einer Podiumsdiskussion der Deutsch-Ukrainische Vereinigung im Magdeburger Eine-Welt-Haus haben jüngst Akademiker aus der Landeshaupstadt und der Ukraine über die Zusammenarbeit der Otto-von-Guericke-Universität mit ukrainischen Hochschulen berichtet. "Bereits seit Mitte der 1950er Jahre gibt es intensive Kontakte zwischen unserer Einrichtung und den Hochschulen in Charkiw und Donezk", sagte Frank Palis, Leiter des Instituts für elektrische Energiesysteme an der Guericke-Universität. Damals sei Studenten ermöglicht worden, Praktika in den beiden Städten zu absolvieren. "Nach der Wende konnten wir die Kooperation weiter vertiefen."

Seitdem werden in Donezk deutschsprachige Vorlesungen über Maschinenbau und Elektrotechnik angeboten. 2002 wurde sogar eine "Gemeinsame Deutsch-Ukrainische Fakultät für Maschinenbau" an der Technischen Universität Kiew – in der Hauptstadt der Ukraine – etabliert, um einen unkomplizierten Austausch von Studenten zu ermöglichen. Die dortige Unterrichtssprache ist teilweise deutsch. Die Form der Zusammenarbeit sei eine "Pilotlösung" und bisher einmalig. "Mittlerweile unterrichten in Kiew ehemalige Doktoranden, die zum Studieren aus der Ukraine nach Magdeburg gekommen waren", sagte Palis.

Im vergangenen Sommer haben die ersten sechs Studenten den gemeinsamen Maschinenbau-Studiengang der Guericke-Universität und der Technischen Universität Kiew abgeschlossen. Die ukrainischen Absolventen waren nach einem achtsemestrigen Bachelor-Studiengang in Kiew bei einem dreisemestrigen Masterstudiengang an der Guericke-Universität ausgebildet worden, erhielten am hiesigen Sprachenzentrum Deutsch-Kurse und schrieben hier ihre Masterarbeit. Ihren Abschluss erhielten sie in deutscher und ukrainischer Fassung. Im Oktober haben in Kiew weitere 30 Studenten ihre Ausbildung am gemeinsamen Institut aufgenommen. Einige davon werden wiederum Master in Magdeburg erwerben.

Zwischenzeitlich wurde in Donezk mit Hilfe von Siemens ein Ingenieur-technisches Zentrum eingerichtet. Auch hier werden Studenten ausgebildet, die eine Gelegenheit erhalten, in Magdeburg zu studieren. Gleiches geschieht an der Technischen Universität Charkiw. "Wir sind glücklich, dass es diese Zusammenarbeit gibt", sagte Professor Vladimir Klepikov aus Charkiw. "Die Magdeburger Universität besitzt bei unseren Dozenten und Studenten großes Ansehen."

Allerdings sei der Austausch nicht unproblematisch: "Das Interesse ukrainischer Firmen, dortige Institute auszustatten und damit die Ausbildung weiter zu verbessern, war bisher gering", sagte Palis. "Bettelbriefe nützen auch in Deutschland nichts", erwiderte Jens Strackeljahn, Prorektor für Studium und Lehre der Guericke-Universität. Diese müsse sich für eine klare Strategie mit klaren Prioritäten entschließen, um Kontakte systematisch auszubauen. "Und die Kooperation mit ukrainischen Instituten besitzt für uns Priorität."

Auf die Frage, welchen Einfluss die weitere politische Entwicklung der Ukraine auf die Zusammenarbeit mit der Guericke-Universität hat, sagte Palis: "Unsere Kooperation funktioniert unabhängig davon. Die Ukraine ist politisch gespalten und es wäre schwer, sich dort zu positionieren."

Für die Kooperation wesentlich seien dagegen Nachbesserungen in Magdeburg: "Weniger als drei Prozent unserer Studenten nutzt die Möglichkeit, ein Jahr an einer ausländischen Hochschule zu absolvieren", sagte Strackeljahn. Dies sei weit unter dem Bundesschnitt. Auch die Ukraine sei bisher kein typisches Ziel für Magdeburger Studenten. Dagegen kämen elf Prozent der Studenten der Guericke-Universität aus dem Ausland. "Diese Zahl werden wir schrittweise auf bis zu 15 Prozent anheben", sagte Strackeljahn. Ziel sei eine "Internationalisierung der Hochschule". Die Kooperation mit den ukrainischen Instituten sei ein gutes Beispiel dafür.

Das betont auch die Deutsch-Ukrainische Vereinigung, die im April des vergangenen Jahres in Magdeburg gegründet wurde. Ihr steht der ehemalige CDU-Stadtrat Thomas Veil vor. Der Verein hatte zuletzt im September in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek eine Lesung mit Juri Andruchowytsch, einem der bekanntesten ukrainischen Gegenwartsautoren, veranstaltet. "Wir wollen die Ukraine bekannter machen, Kontakte fördern und Menschen von hier und da zusammenführen", sagte Veil. Derzeit leben mehr als 1000 Ukrainer im Großraum Magdeburg. Sie sind damit eine der größten migrantischen Gruppen in der Region. "Trotzdem ist die Informationslage über die Ukraine und ihre Bürger schlecht und manchmal vorurteilsgeladen", so Veil.