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Israelische Geheimdienstler sollen mit falscher Identität in Dubai agiert haben Nach Attentat auf Hamas-Führer gerät der Mossad unter Druck

19.02.2010, 05:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 18.02.2010 23:00:00


Von Hans Dahne

Für viele Israelis ist es längst ausgemachte Sache, dass nur ihr Geheimdienst Mossad die Strippen beim Attentat auf einen Hamas-Führer von Dubai gezogen haben kann. Bei einigen schwingt sogar Stolz über eine "perfekt ausgeführte Operation" mit, bei der vor einem Monat ein hochrangiger Funktionär der radikal-islamischen Palästinenserorganisation getötet wurde. Weil die Affäre inzwischen immer weitere Kreise zieht, sorgen sich erste Kommentatoren bereits um den politischen Flurschaden, falls Israel überführt werden sollte. Die links-liberale Tageszeitung "Haaretz" fordert auf ihrer Titelseite bereits den Rücktritt von Mossad-Chef Meir Dagan.

Die Einzelheiten über die Ermordung von Hamas-Funktionär Mahmud al-Mabhuh am 20. Januar in einem Hotel in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) elektrisieren die Israelis seit Tagen. Seit die Behörden des Golfemirats jedoch Fotos und Personenangaben von zehn tatverdächtigen Männern und einer Frau veröffentlicht haben, die mit europäischen Reisepässen unterwegs waren, wächst der Druck auf die israelische Regierung.

Wie bei Attentaten zuvor, gibt es zurzeit mehr Fragen als Antworten: Steht der Mossad wirklich dahinter? Ist der hochrangige Hamas-Funktionär, Nehru Massud, der Al-Mabhuh nach Dubai begleitet hatte, ein israelischer Kollaborateur? Hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Einsatz persönlich genehmigt? Und: Sind die Agenten davon ausgegangen, dass ihre Identität auffliegt oder haben sie einfach die Fähigkeiten der Sicherheitskräfte in Dubai unterschätzt? "Die große Überraschung besteht darin, dass die Polizei in Dubai das ganze Material zu einem Bild zusammenführen konnte", kommentiert die "Jediot Achronot".

Zweideutige Politik

Die Polizei von Dubai beschuldigt Israel zwar nicht öffentlich, aber bei einer Formulierung wie: "Es besteht die Möglichkeit, dass die Führer gewisser Länder ihren Geheimdienstagenten den Auftrag gegeben haben", denken im Na- hen Osten viele in erster Linie an Israel.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman hat als bislang einziges Regierungsmitglied die Vorwürfe in Richtung Mossad zurückgewiesen. Es sei nicht in Ordnung, dass man es für selbstverständlich halte, dass Israel oder der Mossad die Pässe und Identitäten britischer Bürger benutzt habe, sagte Lieberman dem Armeerundfunk. Dass Israel den Vorwurf nicht rundweg dementiert, weil es unschuldig ist, begründet Lieberman mit einer "Politik der Zweideutigkeit" in Sicherheitsfragen. Übersetzt heißt das: Ungewissheit dient der Abschreckung.

"Der Mossad hat bei mehreren Gelegenheiten in der Vergangenheit gefälschte Pässe benutzt oder gefälschte Pässe mit den Namen von lebenden Personen und den Fotos seiner Agenten versehen", erklärt die Tageszeitung "Haaretz". Als eine Stärke des israelischen Geheimdienstes wird immer erwähnt, dass er wie kaum ein anderer aus einem riesigen ethnischen Pool schöpfen kann. Israel ist ein klassisches Einwanderungsland mit Menschen, die außer Hebräisch fließend ihre alte Muttersprache sprechen.

Normalerweise reagiert die israelische Regierung nach Attentaten auf Führer militanter Organisationen im Ausland noch schmallippiger. Nur steht sie dieses Mal unter einem gewissen Erklärungszwang, weil sechs der elf mutmaßlichen Attentäter die Identität von Menschen angenommen hatten, die in Israel leben.

"Ich bin wütend, verärgert und verängstigt", sagt der 31 Jahre alte Melvyn Mildiner der Tageszeitung "Maariv". Er sei noch nie in Dubai gewesen. "Ich bin mit einer Lungenentzündung ins Bett gegangen und als Mörder aufgewacht", zitiert ihn die britische BBC.

Angst vor Vergeltung

Ein anderer Mann hat Angst davor, dass er, seine Frau und die drei Kinder Opfer einer Vergeltungsaktion werden könnten. Or Kaschti, Bildungskorrespondent der israelischen Tageszeitung "Haaretz", berichtet in seinem Blatt, wie ihm eine ältere Frau in der Gemüseabteilung des Supermarktes respektvoll auf die Schulter klopfte und sagte: "Alle Achtung. Ihr habt es diesen Arabern gezeigt."

In Israel werden Erinnerungen wach an den 25. September 1997, als zwei Mossad-Agenten in der jordanischen Hauptstadt Amman vergeblich versucht hatten, den heutigen Chef des Hamas-Polit-Büros, Chaled Meschaal, mit Nervengift zu töten. Die beiden Männer wurden gefasst, und Israel musste sich damals entschuldigen und ein Gegengift liefern. Kanada reagierte überaus verärgert, weil die Israelis mit kanadischen Pässen unterwegs waren. Der israelische Ministerpräsident war damals der- selbe wie heute: Benjamin Netanjahu. (dpa)