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Königliche Hochzeit in England Der Prinz und die Firma

Von Rudi Bartlitz 28.04.2011, 04:29

Da irrte der alte Ludwig Renn aber mal so richtig: Von wegen Adel im Untergang! Nichts da, nie waren Blaublüter, zumal wenn sie einer der ältesten Monarchien der Welt entsprungen sind, gefragter und populärer als in unseren Tagen.

Wenn morgen also ein gewisser William aus dem Geschlecht der Windsors seine Kate zum Altar führt, wird das wahrscheinlich das größte Medienereignis, das die Moderne je heimgesucht hat. Olympia oder Fußball-WM sind Peanuts dagegen. Bis zu drei Milliarden Menschen werden bei dieser angeblichen Jahrhundert-Hochzeit zuschauen, der Millionär aus Boston genauso wie die Putzfrau aus Johannesburg, der Lagerarbeiter aus Jekaterinburg ebenso wie die Rentnerin aus Castrop-Rauxel.

Ja, was ist es denn, rätseln Auguren, das diese eigentlich längst überlebte Staatsform dann doch wieder so liebenswert, so kuschelig macht, so charming? Zumal dann, wenn Hochzeiten am Hofe anstehen.

Für all die Aschenputtels dieser Welt ist die stark nach Laura Ashley duftende Disney-Produktion aus London ohnehin das Nonplusultra. Auch Voyeurismus erklärt nicht alles. Da ist tatsächlich vermutlich mehr. Es ist, so scheint es, die unbewusste Suche nach dem Märchen in unserer Zeit. Eine weltweite Sehnsucht meldet sich da, ein Bedürfnis nach Anlehnung, nach ein bisschen Sicherheit in unsicheren Zeiten. Und wer könnte das besser liefern als eine Institution, die sich selbst "die Firma" nennt. Die vieles, wenn nicht alles überdauerte. Die auf tausend Jahre Historie zurückblickt.

Mickrige 66 Pence, wurde errechnet, kostet die Monarchie jeden Engländer im Jahr. Die Show, die die Royals dafür bieten, ist sensationell - so oder so. Hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis noch.

Wo so viel Gutes ist, da darf das deutsche Fernsehen nicht weit sein; auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen unlängst noch geschworen hatten, sich bei royal weddings möglichst rauszuhalten. Diesmal ging\'s beim besten Willen nicht, denn dies, so heißt es, sei ein globales Ereignis.

Mit gleich sechs Sendern fallen die Deutschen in London ein. 2500 Stunden Hochzeit am laufenden Band. Da entkommt keiner. Und da dürfen selbst Schmonzetten in den privaten Formaten auf weitere Quoten-Hochs hoffen - denn im Grunde ist es denen egal, ob nun ein Prinz oder eben ein Bauer eine Frau sucht. (Die Seite Drei)