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Hamburger Landgericht spricht den Ex-Chef der HSH Nordbank Jens Nonnenmacher frei Im Zweifel Freiheit für "Dr. No"

10.07.2014, 01:16

Er war die Reizfigur der Finanzkrise in Deutschland: Ex-HSH-Chef Nonnenmacher. Nach knapp einem Jahr vor Gericht ist "Dr. No" jetzt von allen Vorwürfen freigesprochen worden. Der Richter rät ihm und seinen damaligen Vorstandskollegen aber auch zu mehr Demut.

Hamburg (dpa) l Wortlos stürmt "Dr. No" davon: Dirk Jens Nonnenmacher, Ex-Chef der HSH Nordbank und Reizfigur der Finanzkrise in Deutschland, bahnt sich hoch erhobenen Hauptes seinen Weg durch den Pulk aus Kameras und Mikrofonen. Außer einem gemurmelten "Danke" sagt er nichts. Gerade hat ihn das Hamburger Landgericht vom Untreue-Vorwurf im dubiosen "Omega"-Geschäft freigesprochen - wie auch die fünf weiteren angeklagten frühere Vorstandsmitglieder der Landesbank.

Zwei Verteidiger haben sie zu den Journalisten vorgeschickt. Erleichtert sei Nonnenmacher gewesen, erzählt sein Verteidiger Heinz Wagner. Mehr Worte wollen sie bis dahin nicht gewechselt haben. Wagner appelliert an die Ankläger, auf eine Revision zu verzichten: "Das Verfahren hat alle Beteiligten über Jahre viel Kraft und Nerven gekostet." Sein Kollege Otmar Kury, der den früheren Kapitalmarktvorstand Jochen Friedrich vertritt, äußert sich nüchterner: "Das Urteil stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland." Schon in seinem Plädoyer hatte er gemahnt: Vorstände müssten unternehmerische Entscheidungen treffen, die immer einem Risiko unterworfen seien - ohne dass damit gleich gegen Gesetze verstoßen werde.

Doch so einfach macht es das Gericht "Dr. No" und Co im Gerichtssaal 300 nicht. Im "Ameisentempo", so hatte der Vorsitzende Richter Marc Tully bereits beim Auftakt vorhergesagt, werde der Prozess voranschreiten. Das "Kleinklein" des umstrittenen Kreditgeschäfts "Omega 55" solle mit Hilfe von Zeugen und Sachverständigen aufgeklärt werden.

Schaden für die Bank liegt bei 150 Millionen Euro

Ein ungewöhnliches Arbeitstempo für Manager wie Nonnenmacher, die einst von hochriskanten Finanzgeschäften angetrieben wurden. Der Vorstand habe nicht die Möglichkeit gehabt, "sich Jahre - wie die Justiz in einem Strafprozess - mit einer einzigen Entscheidung (...) auseinanderzusetzen", hatte Nonnenmacher während des Prozesses kritisiert.

Seine Prominenz verdankt der 51 Jahre alte Mathematikprofessor seiner Amtszeit an der Spitze der Bank von November 2008 bis März 2011, als Nachfolger des mitangeklagten Ex-Vorstandschefs Hans Berger. Nonnenmacher, anfangs mit gegeltem Haar, entsprach so gar nicht der Vorstellung eines hanseatischen Kaufmanns. Sein Auftreten in der Öffentlichkeit wirkte arrogant, mit Sätzen wie "Eine falsche Bilanz ist keine gefälschte Bilanz" zog er Unmut auf sich. Und seine Vier-Millionen-Euro-Abfindung war der Aufreger schlechthin. Schließlich musste die HSH in der Finanzkrise 2008 mit staatlichen Milliarden gerettet werden.

Ein Jahr zuvor hatten Vorstand und Eigner - die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein - noch hochtrabende Pläne. Die Landesbank sollte hübsch gemacht werden für einen Börsengang. Für ein besseres Rating sollte eine Eigenkapital-Entlastung im Zusammenspiel mit der französischen BNP Paribas her, Immobilien-Risiken sollten aus der Bilanz raus. Aber: "Es ist zu überhaupt keiner Übertragung der Risiken gekommen", hält Richter Tully nun fest. "Sinnlos, nutzlos, wertlos" sei das komplexe Konstrukt gewesen, haut er dem Vorstand um die Ohren. Sie hätten sich schlicht auf die HSH-Marktabteilung verlassen, deren Interesse der Abschluss von Geschäften sei. Den Untreue-Schaden für die HSH Nordbank schätzt das Gericht auf etwa 30 Millionen Euro - "ein Näherungswert". Für die Berechnung legen die Richter den Abschluss des "Omega 55"-Geschäfts im Januar 2008 zugrunde. Tatsächlich belief sich der Schaden auf 150 Millionen Euro.

Die Angeklagten haben zwar ihre Pflichten verletzt - die Pflichtverletzungen waren aber nicht gravierend oder schwerwiegend genug für eine Verurteilung: Das ist das Fazit des Gerichts. Die Richter ziehen daraus den Schluss: "Im Zweifel für die Freiheit" - "in dubio pro libertate". Tully betont aber auch: Dem Rechtsfrieden hätte mehr Demut der Angeklagten gedient.

Ganz unbelastet dürften die Ex-Vorstände dennoch nicht in die Zukunft blicken. Die Landesbank will gegen einige Schadenersatzansprüche geltend machen.