Im Nationalpark Harz sind noch Pferde im Einsatz Waldpflege mit zwei PS

Waldarbeit mit sogenannten Holzrückepferden ist in Deutschland nicht
mehr oft zu beobachten. Sachsen-Anhalt besitzt noch zwei dieser
Arbeitstiere. Im Nationalpark Harz geben sie ihr Bestes.

Von Sabrina Gorges 11.07.2014, 01:19

Drei Annen Hohne (dpa) l Es knackt im Gebüsch. Ein Schnaufen ist zu hören und ein Klappern. Dazwischen ertönen immer wieder Rufe: "Hott!", "Wüst!", "Hü!". Dann brechen zwei kräftige Pferde aus dem Dickicht hervor. Sie ziehen einen mächtigen Baumstamm hinter sich her. "Der Stamm ist etwa eine Tonne schwer", sagt Erwin Kirchner. Der 57-jährige Gespannführer hält die Pferde an einer langen Leine und muss immer wieder über abgebrochene oder gefällte Baumstämme steigen und herabhängenden Ästen ausweichen. Kein leichter Job. "Ho, ho, ho", ruft Kirchner. Eros und Max bleiben stehen.

Eros Erlwind von Dobberkau und Max sind die letzten landeseigenen Holzrückepferde im rund 25.000 Hektar großen Nationalpark Harz, der zu den größten Waldnationalparks in Deutschland gehört. Holzrücken - so nennt man den Abtransport gefällter und umgestürzter Bäume. Die Pferde gehören dem Land Sachsen-Anhalt, werden aber im ganzen Schutzgebiet eingesetzt - auch in Niedersachsen. Eine fünfstellige Summe waren die heute elf Jahre alten Tiere dem sachsen-anhaltischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt wert.

Kirchner sagt: "Wir haben es rüber gerettet", und meint damit, dass es bis 1989 noch 20 solcher Holzrückegespanne im Oberharz gab. "Max und Eros werden vielleicht das letzte sein", sagt Kirchner. Denn wenn er, Kollege Andreas Wolf und die Pferde in Rente gehen, wird sie wohl niemand beerben. Wehmut liegt in seiner Stimme. "Ein Pferd ist als Waldarbeiter unökonomisch. Es schafft einfach zu wenig." Das weiß auch Nationalparkleiter Andreas Pusch: "Wir pflegen diese Tradition aber sehr gern, denn die Pferde sind sehr beliebte Sympathieträger."

Ein "Aha-Effekt", der vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zum Tragen kommt. Rund 150 Tage im Jahr rücken Max und Eros Holz, an etwa 70 Tagen sind sie gewissermaßen "Öffentlichkeitsarbeiter", die Interesse am Nationalpark zu erwecken vermögen. Den Rest des Jahres haben sie frei. Im Alter von drei Jahren sind die beiden Pferde - ein Rheinisch-Deutsches Kaltblut und sein Westfälischer Kollege - in die Ausbildung gegangen, weitere drei Jahre hat ihre Spezialausbildung zum Holzrücken gedauert. "Nicht alle Pferde kapieren das", sagt Kirchner, der seit 1978 im Wald arbeitet.

"Was ein Pferd wiegt, kann es auch ziehen. Der hier ist gar kein Problem für die beiden", sagt er und deutet mit der behandschuhten Hand auf den Holzkoloss. Eros und Max bringen zusammen mehr als 1,5 Tonnen auf die Waage. Der mächtige Fichtenstamm lag in der Nähe des Ufers der Steinernen Renne. Max, Eros und Gespannführer Kirchner helfen bei der Umsetzung einer Renaturierungsmaßnahme.

"Wir hinterlassen unseren Nachkommen einen Wald, der ein anderer ist, als wir ihn als Kinder kannten."

Nicht nur an Bächen und Flüssen, sondern im gesamten Nationalpark rücken die Waldarbeiter den Fichten zu Leibe - bis zu einer Höhe von etwa 750 Metern. Erst von da an kommen Fichtenwälder natürlich vor.Auf dem Hohne-Hof, einem idyllisch gelegenen Natur-Erlebniszentrum bei Drei Annen Hohne, sind Max und Eros zu Hause. Hier arbeitet auch Martin Bollman, der das 1800 Hektar große Revier "Hohne", eines von zwölf Nationalparkrevieren, leitet. "2013 wurden allein in meinem Bereich 40000 Buchen gepflanzt. Im Gesamtpark sind es zehnmal so viele und in diesem Jahr werden wir etwa auf die gleiche Menge kommen."

Die Macher vor Ort wollen eine faszinierende Wildnis schaffen - im Nationalpark Harz soll die Natur bis zum Jahr 2022 auf drei Viertel der Fläche sich selbst überlassen werden. "Wir sind ein Entwicklungsnationalpark", sagt Bollmann. "Im angestrebten Naturdynamikbereich machen wir dann im Grunde gar nichts mehr, außer Verkehrssicherung."

Ist das realistisch? Ja, sagt Parkleiter Pusch. "Schon heute sind 52 Prozent des Nationalparks Kernzone. Hier wird die Natur ihrer ureigenen Entwicklung überlassen." In acht Jahren soll es eine Wildnis geben, wie man sie andernorts in dieser Form gar nicht mehr erleben kann. Und müssen die 168 Mitarbeiter Angst um ihren Job haben, wenn in ein paar Jahren die Waldarbeit nahezu komplett eingestellt werden soll? "Millionen Touristen wollen den Wald erleben, da gibt es immer viel zu tun", sagt Pusch, für den es eine Ehre wäre, "seinen" länderübergreifenden Nationalpark 2022 aus dem Entwicklungsstatus zu entlassen.

Feierabend für Max und Eros. Morgen früh um 6 wird Kirchner die Schwergewichte wieder anschirren. "Wir wollen doch schließlich noch was bewegen, ein bisschen Geschichte schreiben", sagt er.