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Automobilindustrie Autokonzerne sparen in der Heimat und investieren im Ausland

Von Max-Morten Borgmann 24.07.2014, 01:24

Frankfurt/Main (dpa) l 21 Milliarden Euro. So viel Gewinn haben die deutschen Autoriesen Volkswagen, Daimler und BMW 2013 unter dem Strich eingefahren. Fast 400 Milliarden Euro setzen sie gemeinsam um - es gibt nur gut 20 Länder auf der Welt, deren Wirtschaftsleistung höher ist als der Umsatz dieser drei Dax-Riesen. Die deutschen Autobauer strotzen trotz aller Widrigkeiten vor Kraft.

Und dennoch tüfteln sie an den nächsten Sparrunden. Von fünf Milliarden Euro ist bei Volkswagen die Rede. Daimler will milliardenschwere "Effizienzprogramme" ausbauen, wie Konzernchef Dieter Zetsche am Mittwoch mitteilte.

Bei BMW geht es um Hunderte Millionen und angeblich das Ende bezahlter Brotzeitpausen. VW-Chef Martin Winterkorn mahnt sogar, man dürfe nicht die Hände in den Schoß legen - soll dem Standort Deutschland nicht ein ähnlicher Weg wie der "Motor City" Detroit drohen: vom prosperierenden Zentrum der US-Autoindustrie hin zu einer verarmten Stadt, die vor einem Jahr in die Pleite schlitterte. Wie passt so ein Schreckensszenario zu Rekordgewinnen? Weil die deutsche Autoindustrie und die Autoindustrie in Deutschland nicht ein und dasselbe sind. So bringt es Branchen-Analyst Eric Heymann von der Deutschen Bank in einer Studie auf den Punkt. Das Wachstum der PS-Branche hängt am Ausland - speziell an China und den USA, wo jeweils mehr Autos verkauft werden als in ganz Europa.

Dort und nicht in der Heimat bauen die Deutschen ihre neuen Fabriken auf und aus, auch Mexiko steht dank niedriger Löhne gerade hoch im Kurs. Dazu ein paar Eckdaten: Die Zahl der im Ausland produzierten Autos deutscher Hersteller stieg zwischen 2000 und 2013 um mehr als 130 Prozent - die heimische Produktion kletterte dagegen nur um 6 Prozent, zuletzt gab es sogar Jahre der Stagnation. Seit 2009 bauen die deutschen Hersteller mehr Wagen außerhalb der Heimat als in Deutschland. Und ein Ende dieser Umverteilung ist nicht absehbar.

Denn durch die vielen Werke in Übersee steigen die Exporte aus der Heimat kaum noch. Die Absatzflaute in Europa verschärfte den Trend, auf dem ganzen Kontinent sackte die Produktion ab. Zu Hochzeiten gab es rechnerisch zehn Werke zu viel in Europa - Ford, Peugeot und Opel schließen schon Fabriken. Trübe Wachstumsaussichten also auch für die mehr als 750000 Beschäftigten in Deutschlands Automobilsektor?

Zumindest was die Menge an produzierten Autos angeht. Aber dieser Trend ist nur ein Teil der Wahrheit, denn in den Wagen steckt heute viel mehr Technik für Sicherheit und Komfort als vor 15 Jahren. Das macht sie aufwendiger und erhöht trotz stagnierender Stückzahlen den Wert der Produktion. Damit lassen sich die verglichen mit anderen Ländern höheren Löhne in Deutschland rechtfertigen und Jobs erhalten.

Trotzdem stehen die Fabriken im konzerninternen Wettbewerb. Der teure Rabattkampf in Europa verstärkt den Druck noch. Wird ein neues Modell geplant, suchen Manager günstigste Standorte - niedrige Löhne spielen da eine wichtige Rolle. Dagegen stellen die deutschen Werke Flexibilität: Einige können die Produktion mit Arbeitszeitkonten um bis zu ein Drittel nach oben und unten an die Nachfrage anpassen. Trotzdem stoßen sie im internationalen Wettstreit um die besten Produktionsbedingungen an Grenzen.

Hier stehen die Werksarbeiter nicht bis zu 300 Tage im Jahr am Band wie in China, sondern es gelten Tarifbedingungen der IG Metall. VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh will Standortfragen ohnehin nicht nur an Arbeitskosten festmachen. Diese seien in Deutschland wettbewerbsfähig. Er moniert vielmehr Management-Fehler bei der Fabrik- und Vertriebsplanung. Derweil klagen die Hersteller über hohe Strom- und Energiepreise sowie die teure Entwicklung alternativer Antriebe, um die strengeren CO2-Grenzwerte einzuhalten.

Aber steht damit der Standort Deutschland auf der Kippe? Das Image "Made in Germany" gehört schließlich zum Erfolgsrezept gerade für Autos mit Premium-Anspruch. Forschung und Entwicklung laufen großteils hier - auch wenn schon Labors in China öffnen. Analyst Heymann zumindest rechnet bis 2025 mit einer stabilen Produktion in Deutschland.

Aber immerhin: 25 Prozent Risiko für einen spürbaren Rückgang sieht auch er - mit allen negativen Folgen.