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Reform des Zuckermarkts Das Ende des süßen Kartells

Der Zuckerindustrie steht eine riesige Umstellung bevor. Im Herbst 2017 fällt die Zuckermarktordnung der Europäischen Union weg. Die Branche in Sachsen-Anhalt ist nervös, sieht aber auch Chancen.

31.07.2014, 01:18

Magdeburg l "Es waren schon immer gute Böden", sagt Wolfgang Beer. Besonders in der Börde und rund um den Harz. "Wasserhaltig. Gute Durchwurzelung. Perfekt für Zuckerrüben", erklärt der Vorsitzende des Zuckerrübenbauernverbandes Könnern. Die Böden werden sich nicht verändern. Das, was auf ihnen angebaut wird, vielleicht schon. Denn in der Europäischen Union läuft im Herbst 2017 die Zuckermarktordnung aus.

Die Bauern schlagen Alarm. Sie befürchten sinkende Preise für ihre Rüben. Bei den großen Zuckerherstellern Südzucker und Nordzucker brechen bereits die Gewinne ein. Eine ganze Branche muss sich neu orientieren. Produktionsquoten und Mindestpreise für den Rohstoff Zuckerrübe wird es mit dem Ende der Marktordnung nicht mehr geben.

Seit 1968 lebten Zuckerrübenbauern und Zuckerproduzenten in einer geregelten Welt. Damals führt die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die Regelung ein, um heimische Bauern durch feste Abnahmepreise vor Marktschwankungen und billigen Importen zu schützen. Neben Europas Rübenbauern profitieren aber auch die Zuckerhersteller von dieser Vorgabe. Konkurrenten aus dem Ausland blieben bislang ausgesperrt, obwohl deren Rohrzucker nicht einmal halb so viel kostet wie Rübenzucker aus Europa.

Massive Gewinneinbrüche bei Zuckerherstellern

Auf die Zuckerhersteller kommen harte Zeiten zu. Preisdruck und steigender Weltmarkteinfluss sind bereits die ersten Vorboten der sich verschärfenden Marktbedingungen. Im ersten Quartal 2014 stand für den größten Produzenten, Südzucker, ein Gewinneinbruch um 54 Prozent auf 77 Millionen Euro. Nordzucker verbuchte im Auftaktquartal unter dem Strich 24 Millionen Euro. Im Vergleich mit dem entsprechenden Zeitraum des vorherigen Geschäftsjahres sind das 72 Prozent Minus.

Negative Zahlen zu vermelden, ist neu für die Zuckerhersteller. Denn der europäische Zuckermarkt war bislang nahezu wettbewerbsfrei. Die Quoten waren verteilt, die Regionen abgesteckt. Besonders gut zu erkennen am deutschen Markt. Der Norden wird kontrolliert von Nordzucker, Mitteldeutschland von Pfeifer Langen und der südliche Raum von Südzucker. Selbst zwischen Herstellern und Rübenbauern war der Wettbewerb bislang ausgehebelt. Mehrheitsaktionär der Südzucker AG ist die Zuckerrüben-Verwertungsgenossenschaft. Die Gesellschaft ist ein Zusammenschluss der Bauern, die an die Südzucker AG liefern.

Etwa eineinhalb Jahre bleiben Bauern und Herstellern noch, um sich neue Konzepte zu überlegen. Dabei geht es auch um ein neues Vertragssystem für die Rübenbauern. Wolfgang Beer vom Zuckerrübenbauernverbandes Könnern schlägt Alarm: "Sinkt der Preis für die Rübe zu stark, kann es schnell passieren, dass Landwirte aussteigen und etwas anderes anbauen." Das hätte Folgen. Insbesondere für die Regionen, in denen sich die Fabriken befinden. Denn Zuckerrüben müssen innerhalb weniger Tage nach der Ernte weiterverarbeitet werden. In Sachsen-Anhalt hängen an den Zuckerwerken in Klein Wanzleben, Könnern und Zeitz Tausende Arbeitsplätze.

Werke fahren Produktion hoch und investieren

Philipp Schlüter, Werkleiter der Südzucker-Fabrik in Zeitz, wischt diese Bedenken beiseite: "Wir arbeiten momentan nicht unter Volllast. Mit der Zuckermarktordnung fallen auch die Produktionsquoten weg", erklärt Schlüter. Die Werke werden die Produktion hochfahren, kündigt auch Nordzucker für seine Fabrik in Klein Wanzleben an. "Wir setzen auf gut ausgestattete Werke und werden in die Produktivität und Energieeffizienz unserer Standorte investieren", sagt Nordzucker-Sprecher Christian Kionka.

Künftig stehen die Zuckerhersteller in Europa untereinander stärker im Wettbewerb. "Unser Unternehmen liegt in wettbewerbsfähigen Rübenanbaugebieten, wir haben motivierte Mitarbeiter und moderne Werke", blickt Kionka voraus. In das Werk in Klein Wanzleben investiert Nordzucker in diesem Jahr 6,5 Millionen Euro. Zwei Gasturbinen werden ausgetauscht. Europaweit steckt der Konzern 95 Millionen Euro in die Modernisierung der 18 Standorte.

Die Konzerne schauen sich aber auch nach anderen Standbeinen um. Eines der größten Bioethanolwerke Europas steht bereits in Zeitz. Für 152 Millionen Euro baut Südzucker auf dem Gelände des Werks zudem eine neue Stärkefabrik. Südzucker will hier Glukosesirup aus Weizen gewinnen. Denn auch für den Stärkezucker fällt die Quote weg. Wenn das Millionenprojekt fertiggestellt ist, wird die Zahl der Mitarbeiter von derzeit 300 auf über 400 steigen. Ebenfalls am Standort entsteht eine Produktionsanlage für Neutralalkohol, der an die Getränke- und Pharmaindustrie geliefert wird.